Warum wir von A nach B sehen können
RUBINinternational ist
erschienen
Bochum, 09.08.2006 - Verantwortlich dafür, dass wir von A nach B sehen können und uns beim Blick aus
dem fahrenden Zug heraus nicht übel wird, sind wahrscheinlich Nervenzellen, die pausenlos vor sich hin plappern: Sie senden
ohne äußeren Anlass Signale in regelmäßiger Folge. Wohin sie "funken" und warum, erforschen die Biologen Nora
Prochnow und Dr. Matthias Schmidt. Sie ergründen die Vernetzung der Zellen im Gehirn in Kooperation mit US-amerikanischen
Kollegen mit einer neuen Methode, bei der feinste Goldkügelchen entgegen dem Signalweg in den Körper der Nervenzellen wandern
und dort anschließend unter dem Mikroskop sichtbar sind. Über ihre Forschungen berichtet sie in RUBINinternational, der
aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins der Ruhr-Universität.
Beitrag mit Bildern im Internet
Den vollständigen Beitrag finden Sie im Internet unter: www.rub.de/rubin
Untypische Nervenzellen funken unentwegt
Bei den Augenbewegungen und der Verarbeitung von optischen Reizen spielt ein Bereich des Mittelhirns,
der "Nucleus tractus optici" (NTO) eine große Rolle: Er hat die Funktion eines Schaltkastens, der Reize, die über
die Sehnerven eingehen, an unterschiedliche Gehirnbereiche weiterleitet. Einige Nervenzellen im NTO zeigen allerdings ein
untypisches Verhalten. Anders als "normale" Nervenzellen, die erst nach dem Eingang eines Reizes aktiv werden und
elektrische Impulse weitergeben, geben diese Nervenzellen unentwegt scheinbar grundlos Impulse ab. Diese Entdeckung warf für
die Forscher sofort Fragen auf: Wohin funken die Zellen und warum?
Sehr stetige Signale wären ersetzbar
Der Frage nach dem Wohin widmete sich Nora Prochnow zuerst. Der NTO ist im Gehirn mit mehreren
Gehirnbereichen vernetzt. Um zu untersuchen, in welchen davon die plappernden Zellen ihre Leitungen strecken, wandte sie ein in
den USA entwickeltes Verfahren an, bei dem eine Lösung mit sehr kleinen Goldpartikeln in die entsprechenden Hirnbereiche
injiziert wird. Die Goldpartikel werden von den Enden der Reizleiter aufgenommen und wandern entgegen der Richtung der
elektrischen Impulse bis in den Körper der Nervenzelle zurück. Dort lagern sich die Partikel an und sind als Körnchen unter
dem Mikroskop sichtbar. So konnte sie rückschließen, wohin die NTO-Zellen ihre Signale senden. Die elektrische Aktivität der
mit Gold markierten Zellen konnte sie außerdem genau messen. Dass die Signale, wie sich dabei herausstellte, sehr stetig
abgegeben werden, ist vielleicht eine gute Nachricht für Patienten, deren Bewegungswahrnehmung nach Unfall oder Krankheit
gestört ist: Es wäre denkbar, künftig Schrittmachersysteme einzusetzen, die die fehlenden Signale ersetzen. Solche
Schrittmacher sind z.B. bei Parkinsonpatienten bereits im Einsatz.
Themen in RUBINinternational
In RUBINinternational finden Sie außerdem folgende Themen: Geisteswissenschaften: Russische Plakatkunst
des 20. Jahrhunderts: Werben für die Utopie; Expeditionen in die Welt untergehender Dialekte: Eine Datenbank fürs Ohr;
Deutsch-russische Beziehungen im 20. Jahrhundert: In den Wechselbädern der Geschichte; Ingenieurwissenschaften: Neue Wege in
der Formgedächtnistechnologie: Haptisches Display und aktive Prothese; Naturwissenschaften: Nutzung geothermaler Ressourcen:
Auch ohne sprudelnde Geysire und aktive Vulkane; Die Suche nach kosmischen Teilchenbeschleunigern: Modernste Teleskope
"sehen" Hochenergiegammastrahlung; Organische Elektronik optimieren: Wenn Moleküle steuern und schalten. RUBIN ist
zum Preis von 2,50 Euro in der Pressestelle der Ruhr-Universität (Tel. 0234/32-22830) erhältlich und steht im Internet unter
www.rub.de/rubin
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Wie ein "bewusstes Gedächtnis" im Hirn entsteht
RUB-Forscher untersuchen die räumliche Einprägung
Bochum, 25.07.2006 - Neue, spannende Einblicke, wo und wie unser Gehirn Informationen abspeichert, die
noch nicht im Langzeitgedächtnis verankert sind, haben Neurowissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum gewonnen: Der
Neurotransmitter "Dopamin" spielt eine entscheidende Rolle dabei, dass sich neue, so genannte bewusste Gedächtnisse
im wichtigsten Lernareal des Hirns, dem Hippokampus bilden. Zu diesem Ergebnis kommen Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan und Neal
Lemon von der International Graduate School of Neuroscience der RUB (IGSN). Die Irin Manahan-Vaughan ist Direktorin der IGSN und
Leiterin der AG "Lern- und Gedächtnisforschung" der Medizinischen Fakultät, der Kanadier Lemon ist einer ihrer
Doktoranden. Über ihre Forschung berichten die Bochumer Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des "Journal of
Neuroscience".
Ein "neues" Gedächtnis
War ich schon hier? Befinde ich mich in einer bekannten Umgebung oder ist alles neu für mich und muss
erforscht werden? In Bruchteilen von Sekunden "weiß" unser Gehirn, ob zum Beispiel ein Ort bekannt ist oder nicht.
Ist er es nicht, prägen wir uns bewusst eine räumliche Konstellation ein, etwa anhand markanter Punkte wie Restaurants,
Einkaufsläden oder einem Park. Für diese Informationen entsteht quasi ein neues, vorübergehendes Gedächtnis im Gehirn
zwischen Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis - auch episodisches oder autobiographisches Gedächtnis genannt. Zuständig für die
Einprägung dieses "bewussten" (sog. deklarativen) Gedächtnisses ist die als Hippokampus bekannte Region des Gehirns,
die ein Teil der Medialtemporallappen ist. Patienten, denen diese Hirnlappen operativ entfernt wurden, können sich zum Beispiel
überhaupt keine Namen oder Gesichter merken.
Synaptische Plastizität
Damit eine neue Information in den Hippokampus gelangen und dort gespeichert werden kann, ändert sich
vorübergehend die Fähigkeit von Synapsen, neuronale Informationen weiterzuleiten (synaptische Plastizität). Synapsen sind die
Kommunikationsstellen zwischen den Hirnzellen. Prof. Manahan-Vaughan zeigte in ihrer früheren Arbeit, dass eine bestimmte Form
der synaptischen Plastizität - die so genannte Langzeit-Depression - entscheidend daran beteiligt ist, dass wir uns eine neue
räumliche Konfiguration einprägen können.
Und so funktioniert es
Für die Kommunikation benötigen die Synapsen einen Botenstoff, den "Neurotransmitter". Der
Bochumer Doktorand Neal Lemon hat herausgefunden, dass der Neurotransmitter Dopamin die synaptische Plastizität während des
Lernens im Hippokampus in Gang setzt: Bestimmte, dopaminhaltige Rezeptoren (D1/D5) verstärken oder vermindern die synaptische
Übertragung im Hippokampus. Sehr wahrscheinlich, so vermuten die RUB-Forscher anhand ihrer Ergebnisse, wird ein
"Neuigkeitssignal" im Gehirn in eine bestimmte Region geschickt (ventrales Tegmentum), wo sich die Zellkerne der
dopaminhaltigen Neuronen befinden: Die Zellen werden dadurch aktiviert und setzen unter anderem auch im Hippokampus Dopamin
frei, was die synaptische Plastizität und das Lernen verstärkt.
Forschung ergänzt sich
Die Ergebnisse von Prof. Manahan-Vaughan basieren auf Studien aus den Jahren 1999 und 2004. Flankiert
und untermauert werden sie von ihren aktuellen Forschungsresultaten zusammen mit Neal Lemon, über die das "Journal of
Neuroscience" nun berichtet.
Titelaufnahme
Lemon N, Manahan-Vaughan D: Dopamine D1/D5 Receptors Gate the Acquisition of Novel Information through
Hippocampal Long-Term Potentiation and Long-Term Depression. J. Neurosci. 2006 26: 7723-7729
Quelle und weitere Informationen: www.ruhr-uni-bochum.de
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Sie haben einige Fragen zum Thema "Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis " oder Sie möchten wissen, was
bedeutet das Wort Neurotransmitter, was sind Synapsen oder was versteht man unter Grundlagenforschung? Einige Antworten auf
häufig gestellte Fragen aus dem großen Bereich Wissenschaft und Forschung finden Sie unter dem Stichpunkt Glossar, welches stetig erweitert wird
Das Thema der letzten, dieser und der nächsten Seite:
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