Neuartige Blockade von Blutplättchen schützt vor Schlaganfällen
20.04.2007 - Schlaganfälle sind die dritthäufigste Todesursache in westlichen Industrienationen.
Verursacht werden sie meist durch Verstopfungen der Blutgefäße, die das Hirn versorgen. Wer einen Schlaganfall überlebt, kann
danach schwer behindert bleiben - das Gehirn war dann zu lange zu schlecht mit Blut versorgt und wurde dadurch geschädigt. Bei
ihren Bemühungen um eine bessere Vorbeugung und Therapie von Schlaganfällen sind Wissenschaftler der Universität Würzburg
mit viel versprechenden Laboruntersuchungen nun einen Schritt weitergekommen.
Über ihren Forschungserfolg berichten Christoph Kleinschnitz, Guido Stoll und Martin Bendszus aus der Neurologischen Klinik und
der Neuroradiologie zusammen mit Bernhard Nieswandt vom Rudolf-Virchow-Zentrum/DFG-Forschungszentrum in der renommierten
US-Zeitschrift Circulation. Online ist ihr Artikel bereits erschienen, die gedruckte Ausgabe des Heftes folgt in circa zwei
Wochen.
Die Würzburger Wissenschaftler setzen an den Blutplättchen an, weil die bei der Entstehung von Blutgerinnseln in den Arterien
und damit bei Schlaganfällen eine tragende Rolle spielen. Sie haben Antikörper hergestellt, die auf der Oberfläche der
Blutplättchen andocken und dort die Rezeptoren Glykoprotein(GP)Ib und GPVI blockieren. Dadurch können sich die Plättchen
nicht mehr an die Gefäßwände anheften, so dass erst gar kein Gerinnsel entsteht.
Die Forscher fanden heraus: Bei Labormäusen, deren Blutplättchen nach einer Injektion der Antikörper blockiert sind, kommt es
zu deutlich geringeren Schlaganfällen als bei unbehandelten Artgenossen. In den kleinen Gehirnarterien der Nager entwickeln
sich weniger Gerinnsel, so dass die Durchblutung im Bereich des Hirninfarktes deutlich besser ist als bei einem
"vollen" Schlaganfall. Nach dem Hirninfarkt zeigen sich außerdem weitaus weniger neurologische
Ausfallerscheinungen.
"Falls sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, könnte es durch eine medikamentöse Hemmung der beiden
Blutplättchen-Rezeptoren in Zukunft unter Umständen gelingen, das Auftreten bestimmter Typen von Schlaganfällen besser zu
verhindern und besser zu behandeln, als das bisher der Fall ist", sagt Assistenzarzt Kleinschnitz. Damit meint er
Schlaganfälle, die durch eine plötzliche Verstopfung der Blutgefäße zustande kommen. Dieser Typus macht rund 85 Prozent
aller Schlaganfälle aus, der Rest entsteht durch Blutungen im Gehirn.
Doch die Blockade der Blutplättchen birgt auch eine Gefahr in sich, nämlich dass die Blutgerinnung nicht mehr richtig
funktioniert und deshalb das Risiko für innere Blutungen steigt. "Aber glücklicherweise bluten die Mäuse nach der
Verabreichung der Antikörper nicht stärker als ohne Behandlung. Das haben wir durch kernspintomographische Untersuchungen
nachgewiesen, darin liegt die Stärke dieser neuen Plättchenhemmer", so Kleinschnitz. Innere Blutungen, etwa im Gehirn,
kommen dem Mediziner zufolge bei den bisher zum Schutz vor Schlaganfällen eingesetzten Blutplättchen-hemmenden Medikamenten -
wie beispielsweise Acetylsalicylsäure (Aspirin®) oder Clopdiogrel (Plavix®, Iscover®) - nicht selten vor.
Mittelfristig wollen die Wissenschaftler diese Therapie so weit bringen, dass sie auf den Menschen übertragen werden kann.
"Dazu werden aber unter anderem noch die Entwicklung von Antikörpern oder pharmakologischen Substanzen nötig sein, die
beim Menschen anwendbar sind - ein heute lösbares Problem, gefolgt von Sicherheitsstudien und großen klinischen
Therapiestudien", so die Forscher.
Diese Forschungsergebnisse entstanden im Würzburger Sonderforschungsbereich 688 (Mechanismen und Bildgebung von
Zell-Zell-Wechselwirkungen im kardiovaskulären System), der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird.
Christoph Kleinschnitz, Miroslava Pozgajova; Mirko Pham, Martin Bendszus, Bernhard Nieswandt, Guido Stoll "Targeting
Platelets in Acute Experimental Stroke: Impact of GPIb, GPVI and GPIIb/IIIa Blockade on Infarct Size, Functional Outcome, and
Intracranial Bleeding", Circulation, vorab online publiziert am 16. April 2007, DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.107.691279
Quelle im Internet und weitere Informationen unter: www.uni-wuerzburg.de
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