Umsetzung von EU-Richtlinien wird zur Verschärfung des Asylrechts missbraucht!
Berlin, 14. März 2007 - Als flüchtlingsfeindlich, rückwärtsgewandt und integrationshemmend hat ein
breites Bündnis von flüchtlingspolitisch tätigen Organisationen den Gesetzentwurf zur "Umsetzung aufenthalts- und
asylrechtlicher Richtlinien der EU" bewertet. Die Bundesregierung will den Entwurf in Kürze verabschieden. Die
Organisationen fordern die Regierung auf, den Gesetzentwurf nicht anzunehmen und zur Überarbeitung an das
Bundesinnenministerium zurückzuverweisen.
Die öffentliche Diskussion konzentriert sich fast ausschließlich auf die Bleiberechtsregelung. Sie übersieht, dass
Deutschland die gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen im Flüchtlingsrecht gar nicht, nur unvollständig oder mangelhaft
umsetzen will. Gleichzeitig enthält der Gesetzentwurf Rechtsänderungen, die in keinem Zusammenhang mit dem Europarecht stehen.
So wird die Umsetzung für Verschärfungen des Asylrechts missbraucht, etwa für die Einführung einer
"Zurückweisungshaft".
Nach EU-Recht müssten Menschen, die vor "willkürlicher Gewalt" im Rahmen von bewaffneten Konflikten nach Deutschland
geflohen sind, künftig einen Abschiebungsschutz erhalten. Der Gesetzentwurf enthält aber den Begriff der "willkürlichen
Gewalt" nicht. Die Schutzbedürftigen sollen keinen individuellen Schutzanspruch einklagen können, sondern sind auf
Abschiebungsstopps der Bundesländer angewiesen. Die Länder drängen jedoch auf Abschiebung - selbst nach Afghanistan und in
den Irak. Tausenden Betroffenen droht damit die Abschiebung in Kriegs- und Krisengebiete.
EU-Staaten sollen künftig Asylsuchende zurückweisen dürfen, wenn der Verdacht besteht, dass ein anderer EU-Mitgliedstaat für
das Asylverfahren zuständig sei. Gegen eine solche Zuständigkeitsentscheidung soll es grundsätzlich keinen Eil-Rechtsschutz
mehr geben. Damit können Abschiebungen in andere EU-Staaten nicht verhindert werden, selbst wenn sie inhuman oder rechtswidrig
sind. Asylsuchende sollen so lange in Haft bleiben, bis die Zuständigkeit geklärt ist. Eine derartige
"Zurückweisungshaft" verletzt internationale Standards, nach denen Flüchtlinge während des Asylverfahrens generell
nicht in Haft genommen werden sollen.
Große Teile des europäischen Flüchtlingsrechts sollen gar nicht in den Gesetzestext übernommen werden. Die Verbesserungen
für religiös Verfolgte oder Kriegsdienstverweigerer sind im Gesetzentwurf nicht ausdrücklich erwähnt. Stattdessen plant die
Bundesregierung einen bloßen Verweis auf die EU-Richtlinie zum Flüchtlingsschutz. Die Verbände kritisieren dies als ungereimt
und mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar. Richtlinien begründen unmittelbare Rechtspositionen für die Begünstigten und sind
deswegen vollständig umzusetzen.
Das Ehegattennachzugsalter soll nach dem Gesetzentwurf auf 18 Jahre festgesetzt werden. Zudem müssen künftig Deutschkenntnisse
schon vor Einreise erworben und nachgewiesen werden. Die geforderten Sprachkenntnisse werden dazu führen, dass für die meisten
Betroffenen der Ehegattennachzug erst einmal versperrt wird. Denn nur in den wenigsten Herkunftsländern sind Deutschkurse ohne
weiteres zugänglich. Zumeist werden entsprechende Sprachkurse nur in den Hauptstädten angeboten und sind für Bewohner
entlegener Ortschaften praktisch nicht erreichbar. Sollten diese Vorschriften Gesetzeskraft erlangen, würden die deutschen
Vorschriften über den Ehegattennachzug voraussichtlich nicht nur als gemeinschaftsrechtswidrig einzustufen sein. Es dürften
darüber hinaus in vielen Fällen verfassungswidrige Folgen eintreten.
Die gemeinsame Stellungnahme wird von folgenden Organisationen getragen:
Die 11-seitige juristische Stellungnahme sowie eine vierseitige Kurzfassung können über
amnesty international bezogen werden oder als PDF heruntergeladen werden:
Quelle und weitere Informationen: amnesty international - www2.amnesty.de
--------------------------------------------------------
Weitere Themen: 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37
Sie haben eine Frage zum Thema "Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU"? Sie würden gern mehr
über das europäische Flüchtlingsrecht erfahren? Über einige Themen können wir auch nur berichten, doch einige Antworten auf
häufig gestellte Fragen finden Sie unter dem Stichpunkt Glossar und einige
weiterführende Erläuterungen unter Brennpunkte I und II. An der Erweiterung dieser Stichpunkte und Rubriken arbeiten wir.
Das Thema der letzten, dieser und der nächsten Seite:
Weitere Rubriken: