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Frauen als Zielgruppe bei technischen Entwicklungen


Forschen für den kleinen Unterschied

Fehlentwicklungen lassen sich künftig vermeiden

25.01.2007 - Frauen sind immer noch überwiegend für Haushalt und Kinder zuständig. Sie haben deshalb andere Wünsche und Erwartungen an Produkte als Männer. Berücksichtigen Forscher und Entwickler die Unterschiede, kann das enorme Innovationspotenziale freisetzen. Auf der Genderkonferenz der Fraunhofer-Gesellschaft am 25. Januar 2007 in Stuttgart diskutieren Expertinnen und Experten darüber, wie sich Gender für Märkte, Produkte und die Unternehmenskultur nutzen lässt.

Die ersten Spracherkennungssysteme erkannten keine Frauenstimmen, da die Entwickler weibliche Stimmlagen nicht berücksichtigt hatten. Damit lässt sich diese Technik längst nicht so einsetzen, wie Kunden und Kundinnen sich das wünschen. Bei der Entwicklung der ersten Airbags wurde der ergonomische Faktor »Größe« zunächst vernachlässigt. Für Frauen und Kinder waren sie ein lebensbedrohliches Sicherheitsrisiko. Beide Beispiele verdeutlichen, dass Frauen als wichtige Zielgruppe bei technischen Entwicklungen zu berücksichtigen sind. So schätzen Experten, dass der Anteil der weiblichen Autobesitzer in den kommenden 20 Jahren von heute 30 auf 50 Prozent anwachsen wird. Aber auch hier haben Frauen andere Anforderungen an ein neues Fahrzeug als Männer. Viele Vorschläge, die vom weiblichen Entwicklerteam des Volvo Concept Cars entwickelt wurden, nutzen Männern und Frauen, zum Beispiel außen angebrachte Einfüllstutzen für Scheibenwischwasser.

»Für Fraunhofer steht die kundinnen- und kundenorientierte Entwicklung von Technologien, Produkten und Dienstleistungen im Mittelpunkt«, sagt Fraunhofer-Präsident Prof. Hans-Jörg Bullinger. Inzwischen entwickelt sich die Berücksichtigung der Gender-Perspektive bei Fraunhofer zu einem Qualitätsmerkmal. Denn: Je früher in einem Forschungsprojekt auf die Gender-Perspektive geachtet wird, desto erfolgreicher wird das Produkt. »Im Projekt Discover Gender wurden Leitlinien erarbeitet, um die Forscher entsprechend zu sensibilisieren, Fehlentwicklungen wie beim Spacherkennungssystem oder bei den Airbags lassen sich damit künftig vermeiden oder werden zumindest bewusst in Kauf genommen«, erklärt Dr. Martina Schraudner von der Fraunhofer-Gesellschaft und Leiterin des Projekts. Ihre Erfahrung: »Die Beachtung von Gender- und Diversity-Aspekten kann zu völlig neuen Produktideen und Anwendungen von Technologien führen.« Angesichts des wachsenden weiblichen Kundenpotenzials eröffnen sich mit der Berücksichtigung von Gender in Unternehmen und in der Forschung wertvolle Optimierungsansätze. Durch neue Ideen lassen sich neue Märkte generieren, bestehende Märkte erweitern und durch gendersensible Usability-Verfahren Märkte gezielt entwickeln.

Mit ein Grund für das fehlende Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse der Frauen ist, dass in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen vieler Unternehmen Männer das Sagen haben. Zahlen, die der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der auch die Gender-Konferenz in Stuttgart unterstützt, 2003 erhoben hat, stellen fest, dass in Deutschland Forschungs- und Entwicklungsteams sehr homogen mit 88 Prozent Männern besetzt sind. Studien der EU zeigen allerdings, dass Teams mit guter Geschlechterbalance deutlich erfolgreicher sind als solche, die überwiegend aus Frauen oder Männern bestehen. Der wichtigste Ansatzpunkt für Gender-Experten ist, dass künftig mehr Frauen Ingenieurwissenschaften studieren. Umfragen zeigen den Grund: Frauen werden von den Forschungsthemen nicht angesprochen.

Quelle im Internet und weitere Informationen unter: www.fraunhofer.de

------- Mehr zum Thema Frauen und Männer 2006/2007 -------
 

Männer sind noch immer die Norm

Germanistin Prof. Dr. Wagner-Egelhaaf widerspricht der Gender-Neutralitätder Rhetorik

Münster (upm), 28.12.2006 - Natürlich reden Frauen anders als Männer. Natürlich? In den Genen liegt der Unterschied nicht, da ist sich Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf sicher. Die Germanistin der WWU Münster mit dem Schwerpunkt Rhetorik hat jetzt gemeinsam mit Dr. Doerte Bischoff unter dem Titel "Mitsprache, Rederecht, Stimmgewalt" den zweiten Sammelband zum Thema "Rhetorik und Geschlechterdifferenz" vorgelegt. Der Band dokumentiert die Vorträge, die auf der über den Frauenförderpreis der WWU finanzierten Internationalen Sommerschule im August 2004 gehalten wurden, ergänzt um einige weitere Beiträge zum Thema. Im Mittelpunkt steht die öffentliche Rede, also ein Bereich, der jahrtausendelang traditionell den Männern vorbehalten war. Dabei entlarven die Autorinnen und Autoren die lange behauptete Gender-Neutralität der Rhetorik als Trugschluss.

Noch immer werden Frauen als Rednerinnen anders wahrgenommen als Männer. Das haben nicht zuletzt die aktuellen Debatten um die Kanzlerinnenschaft von Angela Merkel gezeigt. Auch die Tatsache, dass die Uni Münster von einer Rektorin gelenkt wird, wird noch lange nicht als selbstverständlich hingenommen. "Männliches Verhalten ist noch immer die Norm, alles, was davon abweicht, gilt als Ausnahme oder Sonderfall", erklärt Wagner-Egelhaaf. So wurden, als die ersten weiblichen Abgeordneten in der Weimarer Nationalversammlung das Wort ergriffen, deren "zu hohe", "hysterische" Stimmen kritisiert. Sie waren einfach unvertraut für die an männliches Brummen gewöhnten Ohren.

Noch heute lernen Rundfunksprecherinnen in der Sprechausbildung als erstes, ihre Stimmen zu senken. Auch wenn Frauen heutzutage in allen Lebensbereichen vertreten sind, sie werden mit Argwohn beobachtet. Moderatorinnen im Fernsehen, zumal in scheinbar männlich dominierten Themengebieten wie dem Polittalk, ließen den FAZ-Redakteur Frank Schirrmacher bereits eine "Männerdämmerung" befürchten. "Frauen können ihr Geschlecht nicht einfach abstreifen, auch wenn sie es wollen. Sie werden immer als Frauen wahrgenommen, egal wie sie sich verhalten. Aber damit kann man ja auch spielen", erläutert Wagner-Egelhaaf. Insgesamt habe eine zunehmende Präsenz von Frauen im öffentlichen Leben aber allmählich nicht nur eine Veränderung der Rede-, sondern auch der Wahrnehmungskultur zur Folge.

Dass es keine Geschlechtsneutralität gibt, bedeutet nicht, dass Verhalten und Wahrnehmung unveränderbar feststehen. Anthropologische Studien beweisen, dass Redeweise und Gehört-Werden je nach Kultur ganz unterschiedlich ausgeprägt sind und dass sich die Normen verändern können. Ganz im Sinne von Wagner-Egelhaaf, die Rhetorik auch als Inventar zur Beschreibung von Verhaltensweisen versteht: "Rhetorik ist für mich ein Mittel der Kulturanalyse, mit rhetorischem Wissen kann ich analysieren, welche gedanklichen Strategien hinter kulturellen Erscheinungen und Formen stecken."

Dass Frauen in großen Runden eher abwarten, bis sie an die Reihe kommen, während Männer häufig einfach das Wort ergreifen, dass Frauen eher "wir" als "ich" sagen, dass sie sich eher für das Gelingen eines Gespräches verantwortlich fühlen als dass sie ihre eigene Position vertreten und durchsetzen wollen - das alles sind Verhaltensweisen, die sich nur aufbrechen lassen, wenn man sie durchschaut hat. "Frauen können an Souveränität gewinnen, wenn sie lernen, auch männliche Register zu ziehen. Je vielfältiger man agieren kann, desto mehr Stärke gewinnt man", meint Wagner-Egelhaaf. "Umgekehrt wäre es deshalb auch nicht schlecht, wenn Männer eher weibliche Verhaltensweisen lernen würden - zum Beispiel, sich auf ihre Vorredner oder -rednerinnen beziehen", sagt sie.

In ihren Lehrveranstaltungen zu "Rhetorik und Geschlecht" überwiegen noch die Studentinnen. Doch die Zahl der Männer nimmt stetig zu. "Glücklicherweise ist das Interesse an Gender-Fragen heute nicht mehr nur eine Sache der Frauen", resümiert Wagner-Egelhaaf zufrieden.

Mitsprache, Rederecht, Stimmgewalt. Genderkritische Strategien und Transformationen der Rhetorik Doerte Bischoff, Martina Wagner-Egelhaaf (Hrsg.), Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2006

Lehrstuhl Prof. Wagner-Egelhaaf

Quelle im Internet: www.uni-muenster.de


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Weitere Themen: 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80

Sie haben eine Frage zum Thema "Frauen als Zielgruppe bei technischen Entwicklungen" oder zum Thema "Männer sind noch immer die Norm"? Sie würden gern mehr über die Gründe für das fehlende Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse der Frauen erfahren? Über einige Themen können wir auch nur berichten, doch einige Antworten auf häufig gestellte Fragen finden Sie unter dem Stichpunkt Glossar und einige weiterführende Erläuterungen unter Brennpunkte I und II. An der Erweiterung dieser Stichpunkte und Rubriken arbeiten wir.