Empa-Forscher erhält «Josef-Umdasch-Forschungspreis»
22.11.2006 - Der Treibhauseffekt ist in aller Munde - ebenso die Frage nach wirkungsvollen Massnahmen,
die der Atmosphäre das klimaschädliche Kohlendioxid entziehen sollen. Ein von Empa-Forscher Klaus Richter zusammen mit
privaten Planungsbüros und dem Eidgenössischen Institut für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) entwickeltes Computermodell,
das die Auswirkungen verschiedener Wald- und Holznutzungsszenarien auf den Klimawandel simuliert, wurde am 17. November an der
Universität für Bodenkultur in Wien mit dem «Josef-Umdasch-Forschungspreis» ausgezeichnet.
«Pflanzt Bäume!», fordert Al Gore die Zuschauer am Ende des Kinofilms «An Inconvenient Truth» auf, der derzeit in den Kinos
läuft. Ob und in welchem Ausmass das Aufforsten der Wälder und die vermehrte Verwendung von Holz zur Senkung des
Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) taugen, wurde in den letzten Jahren kontrovers diskutiert - insbesondere für die
Leistungsbilanzierung der einzelnen Länder gemäss Kyoto-Protokoll. Die Modellrechnungen der nun mit dem Umdasch-Preis
ausgezeichneten Schweizer Forscher zeigen: Eine sofort eingeleitete optimierte Wald- und Holznutzung in der Schweiz kann
tatsächlich zur Senkung des CO2-Gehalts der Atmosphäre beitragen - allerdings erst in 15 bis 20 Jahren. So lange braucht es,
bis sich die Wälder an eine vermehrte Holznutzung angepasst haben und das zusätzlich anfallende Bauholz auch tatsächlich in
Gebäuden eingebaut ist.
Mittel- und langfristig liesse sich jedoch im Rahmen einer koordinierten nationalen Klimapolitik einiges erreichen, weiss Klaus
Richter, Leiter der Empa-Abteilung «Holz». Er modellierte mit dem Eidgenössischen Institut für Wald, Schnee und Landschaft
(WSL) sowie privaten Partnern im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU), wie sich eine optimierte Wald- und
Holznutzungsstrategie in den nächsten 130 Jahren auf den Schweizer CO2-Haushalt auswirken würde: Durch einen um 0.81 Millionen
Kubikmeter erhöhten Holzverbrauch könnten rund 1,1 Prozent der jährlichen Schweizer Treibhausgasemissionen von 53 Millionen
Tonnen CO2-Äquivalenten eingespart werden.
«Zusätzlich zu diesem Rückgang würden die Holzlager im Baubestand um
rund 32 Millionen Tonnen CO2 anwachsen, was immerhin 60 Prozent der jährlichen Treibhausgasemissionen entspricht», führt
Richter aus, räumt jedoch gleichzeitig ein: «Alleine durch eine vermehrte Holznutzung im Bauwesen lassen sich also weder die
Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls erfüllen noch die Klimaerwärmung stoppen.»
Das traute Heim als Kohlenstoffspeicher
«Abschöpfen des maximalen Zuwachses» heisst gemäss Computermodell die wirksamste
forstwirtschaftliche Massnahme auf globaler Ebene - und erstaunlicherweise nicht das Aufforsten von so genannten
«Kyoto-Wäldern» zu riesigen, aber störanfälligen Biomasse-Lagern. Laut Richter wird dabei der Wald dennoch aufgeforstet,
das zugewachsene Holz jedoch kontinuierlich «abgeschöpft» - also gefällt.
Das Forscherteam kombinierte drei Modellberechnungen zu einem Ganzen :
Waldbewirtschaftung, Holzwirtschaft und Substitutionseffekte.
Bildquelle: www.empa.ch
Damit bleiben die Forste in einem Produktionsoptimum; im Gegensatz dazu überaltern nicht genutzte Wälder relativ schnell: Die
Bäume verlieren ihre Stabilität, sie sind anfälliger für Sturmschäden oder Insektenbefall - und büssen dadurch letztlich
ihre Senkenfunktion für Kohlenstoff wieder ein. Wird das nachwachsende Holz aber genutzt - etwa in Decken und Wänden oder als
Möbel - so wirkt es als zusätzlicher Kohlenstoffspeicher; trockenes Bauholz besteht immerhin zur Hälfte aus Kohlenstoff.
Zudem würden fossile Brennstoffe geschont, da das bei der Verarbeitung entstandene Abfallholz sowie das Altholz aus Gebäuden
sozusagen als Erdöl-Ersatz dienen können. «Das Holz möglichst lange stofflich verwenden», empfiehlt daher Klaus Richter.
Denn Aufforsten alleine genüge nicht, der Atmosphäre das CO2 zu entziehen.
Antworten durch Computermodellierung
Als auszeichnungswürdig erachtete die internationale Jury des Umdasch-Preises vor allem, dass das
Computermodell die komplexen Kohlenstoffflüsse mit einer bisher nicht erreichten Genauigkeit abbilden kann. Aufgrund der
modellierten Wald- und Holznutzungsszenarien ist es der Forschergruppe gelungen, konkrete Empfehlungen für die Schweiz zu
formulieren. Dazu kombinierten sie drei Modellberechnungen - für die Waldbewirtschaftung, die Holzwirtschaft und die
Substitutionseffekte - zu einem Ganzen.
In Zusammenarbeit mit seinem ehemaligen Mitarbeiter Frank Werner, heute Inhaber des Beratungsbüros «Umwelt und Entwicklung»,
ermittelte Richter diejenigen Substitutionseffekte - die Verwendung von Holz als Ersatz für fossile Energieträger und
alternative Baustoffe wie Beton, Stahl oder Kunststoff -, die massgeblich zur CO2-Senkung beitragen. Dabei griffen die Forscher
u.a. auf Know-how und Ergebnisse zurück, die sie bereits für die weltweit umfangreichste Öko-Datenbank «Ecoinvent»
berechnet hatten. Ein besonderer Schwierigkeitsgrad ergab sich für die Forscher, weil sie auch die «grenzüberschreitenden
Warenströme» berücksichtigen mussten. Das Modell unterscheidet also zwischen den Effekten innerhalb und ausserhalb der
Schweiz - ein Muss für politische Entscheidungsträger, um beispielsweise relevante Aussagen bezüglich der Klimakonvention zu
machen.
Das Preisträger-Team erhofft sich nun, dank seiner Auszeichnung möglichst viele Politiker und Baufachleute auf die
Möglichkeiten einer optimierten Wald- und Holznutzung zu sensibilisieren. «Mit einer konsequenten Mehrnutzung von Holz ist das
CO2-Problem nicht gelöst», gibt Richter zu. «Trotzdem ist Holz ein wesentlicher Teil in einem grossen Puzzle.»
Autor: Manuel Martin
Quelle im Internet und weitere Informationen unter: EMPA - www.empa.ch
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