In der Umweltpolitik fehlen der Bundesregierung die Muskeln
16.11.2006 - Ein Jahr nach ihrem Start ist die Große Koalition in Sachen Umweltpolitik noch schwach auf
der Brust. "Bundeskanzlerin Merkel hat ihre Regierung nicht fit gemacht für die ökologischen Herausforderungen von
heute", sagt Stefan Krug, Leiter der Politischen Vertretung von Greenpeace Deutschland. "Ökologisch fehlt ihr der Mut
eines Arnold Schwarzenegger!". Während der konservative kalifornische Gouverneur etwa die Autoindustrie wegen
Klimazerstörung verklagt, entscheidet Frau Merkel im Zweifel gegen Umwelt- und Verbraucherschutz und für die Interessen vor
allem der großen Unternehmen.
Gut lachen mit Schwarz-Rot hat zum Beispiel der Energiekonzern RWE, der größte CO2-Emittent Europas: Während der Klimawandel
einen hohen Stellenwert in Ankündigungen der Regierung genießt, verschenkt Merkels Umweltminister Sigmar Gabriel beim
Emissionshandel großzügig Emissionsrechte für klimaschädliche Kohlekraftwerke. Als Krönung legte die Bundeskanzlerin dann
im August den Grundstein für das RWE-Braunkohlekraftwerk in Neurath - eine Anlage, die allein mehr CO2 pro Jahr ausstoßen wird
als ganz Neuseeland.
Nicht weniger zufrieden können Chemiekonzerne wie BASF sein: Bei den laufenden Verhandlungen um die EU-Chemikalienpolitik, die
die Kanzlerin zur Chefsache erklärt hat, setzt sich Deutschland dafür ein, dass krebserregende oder hormonverändernde
Chemikalien selbst dann weiter vermarktet werden dürfen, wenn sichere Alternativen vorhanden sind.
Bei der Atomkraft hingegen macht zumindest Minister Gabriel eine konsequent gute Figur und lässt - anders als der
Wirtschaftsminister - keinen Zweifel am Fortbestand des Atomausstiegs aufkommen. Positiv ist auch das Milliarden-Programm der
Regierung gegen Energieverschwendung in Gebäuden zu bewerten. Im Bereich der Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz
insgesamt bleibt sie dagegen noch weit hinter ihren Ankündigungen zurück. "Trotz einiger Differenzen ist die Offenheit
und Dialogbereitschaft des Umweltministers ein Pluspunkt dieser Regierung", so Krug.
Nichts unternommen hat die Große Koalition bisher beim Thema Urwaldschutz: Ein Gesetz gegen Importe von illegalem Urwaldholz
nach Deutschland wurde sang- und klanglos beerdigt. Stillstand herrscht auch im Verkehrsbereich, wo nicht nur die Emissionen von
Luft- und Güterverkehr ungebremst steigen. "Beim Spritverbrauch fassen CDU und SPD die Autoindustrie nicht einmal mit
Samthandschuhen an", kritisiert Stefan Krug. Und in der Agrarpolitik ist unklar, wofür Minister Seehofer eigentlich steht:
Bei der Gentechnik oder dem Schutz vor Pestiziden und Gammelfleisch fährt der oberste Verbraucherschützer einen Schlingerkurs
ohne Nutzen für die Verbraucher.
2007 wird Deutschland der EU und der G8 als Präsidentschaft vorstehen, 2008 die wichtige Konferenz der
UN-Biodiversitätskonvention ausrichten. "Wir hoffen, dass die Bundeskanzlerin bei diesen Gelegenheiten endlich mehr
Muskeln für die Umwelt zeigt, vor allem für den Klimaschutz und den Erhalt der Urwälder und Meere", so Stefan Krug.
Quelle im Internet und weitere Informationen: www.greenpeace.de/25-jahre
------- Mehr zum Thema Große Koalition 2006 -------
Schwarzbuch und Sparschweine für Steinbrück
Berlin, 20.11.2006 - 30 Milliarden Euro könnte die Bundesregierung pro Jahr einsparen, wenn sie
ökologisch nachteilige Förderungen abbauen würde. Das geht aus einem "Schwarzbuch zu umwelt- und klimaschädlichen
Subventionen" hervor, dass der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der NABU, der Hamburger
Klimaschutzfonds, das Forum Umwelt und Entwicklung sowie der Förderverein Ökologische Steuerreform (FÖS) jetzt
veröffentlicht haben. Anlässlich der einjährigen Amtszeit von Finanzminister Peer Steinbrück wurde das
"Schwarzbuch" heute dem Bundesfinanzministerium übergeben.
Aufgelistet werden darin rund 20 umweltschädliche Subventionen. Zu den größten Posten gehört die geringere Besteuerung von
Dieselkraftstoff im Vergleich zu Normalbenzin. Mindestens acht der 18 subventionierten Cent pro Liter müssten abgebaut
werden, fordern die Verbände. Allein dies entlaste den Bundeshaushalt um jährlich 2,6 Milliarden Euro. Einsparen ließen sich
auch Förderungen für den Braunkohlebergbau sowie Steuervergünstigungen für Atom-Rückstellungen, die sich auf eine weitere
Milliarde Euro pro Jahr summierten. Zusätzliche 500 Millionen Euro jährlich brächte dem Bundesetat die Abschaffung des
Dienstwagenprivilegs, das bislang Pkw mit hohem Spritverbrauch begünstige. Hier könne die Bundesregierung von
Großbritannien lernen, wo diese Besteuerung bereits reformiert worden sei. Dort würden Firmenwagen inzwischen
durchschnittlich weniger Sprit verbrauchen als Privatfahrzeuge.
Angelika Zahrnt, BUND-Vorsitzende: "Vor einem Jahr hat Peer Steinbrück sein Amt angetreten. Seitdem hat er nur wenig zum
Abbau ökologisch bedenklicher Subventionen beigetragen. Das Betreiben riskanter Atomanlagen, der Bau klimaschädlicher
Kohlekraftwerke und Sprit fressende Dienstwagen - all dies wird staatlich gefördert. Wenn die Sonntagsreden von Kanzlerin
Merkel, Umweltminister Gabriel und Finanzminister Steinbrück über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Politik ernst gemeint
sind, muss das Fördern umweltschädlicher Tatbestände ein Ende haben."
Die Verbände forderten Steinbrück auf, an die Sparbemühungen seines Vorgängers Hans Eichel anzuknüpfen. Neben dem
"Schwarzbuch" erhielt er deshalb einen symbolischen Spar-Scheck über 30 Milliarden Euro und mehrere Sparschweine.
Eichel, der wegen seiner Sparschweinsammlung auch ?Spar-Hans? genannt worden war, hatte 2002 ein Gesetz zum Abbau von
Steuervergünstigungen vorgelegt, das jedoch am Widerstand der Union scheiterte.
Olaf Tschimpke, NABU-Präsident: "Minister Steinbrück sollte auch die Privilegien für den klimaschädlichsten
Verkehrsträger Flugzeug beseitigen und die Mehrwertsteuerbefreiung bei grenzüberschreitenden Flügen sowie die Befreiung von
der Mineralölsteuer bei Inlandsflügen schnell abschaffen. Damit könnte er 900 Millionen Euro jährlich einnehmen und
gleichzeitig wirksam zum Klimaschutz beitragen."
Anselm Görres, Vorsitzender des FÖS: "In ihrem ersten Jahr hat die Große Koalition jede Chance verpasst, die
umweltschädlichen Steuergeschenke für Industrie und Landwirtschaft zu reduzieren. Anstatt die Sonderregelungen bei der
Energiesteuer ökologischer zu gestalten, dehnte Schwarz-Rot bestehende Vergünstigungen auf zusätzliche Branchen aus. Nur wenn
Herr Steinbrück diese Politik beendet, wird es für die Wirtschaft Anreize geben, klima- und umweltbewusster zu
produzieren."
Quelle im Internet und weitere Informationen unter: www.bund.net
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