Bayerischer Fluss mit perfluorierten Tensiden vergiftet
Altötting/Gendorf, 9.11.2006 - Nach Greenpeace-Recherchen ist die bayerische Alz hochgradig mit umwelt-
und gesundheitsschädlichen Chemikalien belastet. Eingeleitet werden die als krebserregend geltenden Perfluorierten Tenside
(PFT) aus dem Industriepark Werk Gendorf, der zum "Bayerischen Chemiedreieck" zählt. Die von Greenpeace heute
veröffentlichten Analysen der Alz-Wasserproben zeigen die höchsten PFT-Werte auf, die jemals in deutschen Flüssen gemessen
wurden. Auch das Trinkwasser in Gendorf weist Rückstände von PFT auf, die über dem vom Umweltbundesamt empfohlenen Grenzwert
liegen. Die in den Inn mündende Alz ist ein beliebtes Ausflugsziel für Kajaksportler und Angler und fließt kurz nach Gendorf
durch ein Naturschutzgebiet. Um den Fluss vor der Einleitung weiterer Chemikalien zu schützen, stauen 40 Greenpeace-Aktivisten
seit heute morgen das Abwasser auf und pumpen es auf das Werksgelände zurück.
"Hier wird einer der schönsten Flüsse Bayerns vergiftet. Die langlebige Chemikalie reichert sich zudem über Trinkwasser
und Fische auch im menschlichem Blut und in der Muttermilch an", sagt Greenpeace-Sprecherin Corinna Hölzel.
"Industriepark-Betreiber und Behörden müssen die Chemie-Einleitung stoppen. Weitere Untersuchungen zur Gesundheit der
Werksarbeiter und zur Belastung von Trinkwasser, Fischen und Böden bei Gendorf müssen jetzt erfolgen."
In den bei Gendorf genommenen Wasserproben fand ein unabhängiges Labor zwischen 72 und 93 Mikrogramm pro Liter der Chemikalie
PFOA (Perfluoroktansäure) aus der Gruppe der PFT. Der Rhein weist im Vergleich 10.000 mal niedrigere PFOA-Werte auf, sie liegen
im unteren Nanogramm-Bereich pro Liter (2 bis 8 ng). Nur im Sauerland wurden im August 2006 ähnlich hohe PFOA-Werte wie in der
Alz gemessen, als ein mit PFT verunreinigter Dünger Äcker und Flüsse verseuchte. Zur Aufklärung des Chemie-Skandals hat die
NRW-Landesregierung sogar einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt.
Perfluorierte Chemikalien kommen in der Natur nicht vor. Sie werden wegen ihrer wasser- und fettabweisenden sowie
hitzebeständigen Eigenschaften in der Textilindustrie und zum Herstellen von Teflon-Pfannen und Imprägnier-Sprays eingesetzt.
Zwei Chemiefirmen in Gendorf, Clariant und Dyneon, arbeiten mit Fluorchemikalien. Dyneon ist eine Tochterfirma des
US-Chemiekonzerns 3M, der bis 2002 Marktführer für Perfluorverbindungen war. Nachdem die gesundheitsschädlichen Auswirkungen
von PFOA auf Werksarbeiter bekannt wurde, stieg 3M in der USA aus der Herstellung aus. Dyneon in Gendorf produziert weiterhin
die Chemikalie.
Einen sorgfältigeren Umgang mit Chemikalien will die Europäische Union mit dem Gesetz REACH (Registrierung, Evaluierung und
Autorisierung von Chemikalien) regeln. Der Fall Alz zeigt, wie dringend das ist. Doch in Brüssel ist umstritten, ob der Ersatz
gefährlicher chemischer Stoffe - wie PFT - verbindlich vorgeschrieben wird. Greenpeace fordert die heute abend in Berlin zu
REACH tagenden Bundestagsabgeordneten auf, sich gegen die weitere Produktion und Vermarktung von Risikochemikalien
auszusprechen.
Quelle im Internet: www.greenpeace.de
------- Mehr zum Thema Einleitung von PFT in die Alz 2006 -------
Greenpeace nimmt Umweltminister Schnappauf in die Verantwortung
München, 10.11.2006 - Wasserproben aus der mit Chemikalien belasteten Alz übergeben 20
Greenpeace-Aktivisten heute dem bayerischen Umweltminister Werner Schnappauf (CSU). Greenpeace fordert den Minister auf, die
Gifteinleitung in den Fluss zu beenden. Gestern hatte die Umweltorganisation bekannt gemacht, dass der Chemiepark Werk Gendorf
bei Burgkirchen große Mengen von Perfluorierten Chemikalien (PFT) als Abwasser in die Alz leitet. Sogar im Trinkwasser der
Umgebung wurden Spuren des Stoffes gefunden, der sich im Körper anreichert und im Verdacht steht, Krebs zu erregen. Das
Unternehmen Dyneon, eine Tochter des US-Chemiekonzerns 3M, hatte daraufhin bestätigt, in Gendorf mit dieser Chemikalie zu
arbeiten. Dyneon weigert sich aber, aus dem Geschäft mit der gesundheitsschädlichen Chemikalie auszusteigen - ein Schritt, den
3M in den den USA bereits im Jahr 2002 vollzogen hat.
"Die Freisetzung des Giftes in die Umwelt muss sofort beendet werden", sagt Greenpeace-Sprecherin Corinna Hölzel in
München. "Der zuständige bayerische Umweltminister muss nun Lösungen für den Schutz von Mensch und Umwelt finden."
Um die weitere chemische Belastung des durch ein Naturschutzgebiet fließenden Angelgewässers zu verhindern, haben die
Aktivisten gestern neun Stunden lang das Abwasser aus der Alz zurück aufs Werksgelände gepumpt. Gegen 18 Uhr am gestrigen
Abend beendete die Polizei die Greenpeace-Aktion. Alle Aktivisten wurden erkennungsdienstlich erfasst. Nun läuft die Chemikalie
wieder ungehindert in den Fluss.
In einem Gespräch mit Greenpeace behauptete die Firmenleitung, die Konzentration des PFT bereits erheblich gesenkt zu haben.
Dennoch hatten zwei unabhängigen Labore im Aufrag von Greenpeace die höchsten PFT-Konzentrationen gefunden, die jemals in
einem deutschen Gewässer gemessen wurden. Greenpeace will heute im Gespräch mit Schnappauf in Erfahrung bringen, was die
Umweltbehörde bisher gegen die Belastung der Umwelt unternommen hat.
Quelle im Internet: www.greenpeace.de/25-jahre
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Weitere Themen: 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63
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Stichpunkt Glossar und einige weiterführende Erläuterungen unter Brennpunkte I und II. An der
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