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Ausstellung: Der Kontrakt des Fotografen


Fotografische Serien - Der Kontrakt des Fotografen

Akademie der Künste, Berlin, 12. November 2006 - 7. Januar 2007
Museum Morsbroich, Leverkusen, 11. März - 27. Mai 2007

20. Oktober 2006 - Die Ausstellung "Der Kontrakt des Fotografen" zeigt fotografische Serien, in denen ein kooperatives Arbeitsverhältnis zwischen dem Künstler und den von ihm fotografierten Personen besteht. Den Bildern liegt eine konkrete oder unausgesprochene Form der Verabredung zugrunde: Beide Seiten verfolgen ein Ziel, das nur durch die besondere Form der Zusammenarbeit gemeinsam erreicht werden kann. Die Ausstellung soll erstmals einen Überblick über die Voraussetzungen und Strategien der Personen-fotografie seit den 60er Jahren anhand von herausragenden Werken geben, in denen dem ?Kontrakt des Fotografen? eine zentrale, das Bild konstituierende Funktion zukommt.

Die Ausstellung "Der Kontrakt des Fotografen" gibt einen Überblick über einen besonderen Zweig der Personenfotografie in der Kunst der Gegenwart, der auf einer Verabredung zwischen dem Fotografen und den von ihm porträtierten Personen basiert. In der Ausstellung sind siebzehn Künstler aus der Zeit von 1975 bis heute vertreten. Der Idee des Vertrags liegt die Vorstellung zugrunde, dass autonome Personen eine Verabredung treffen, die auf den Erfolg aller am Vertrag beteiligten Personen zielt. Übertragen auf die Fotografie bedeutet dies eine gemeinsame Arbeit am Bild, bei der der Fotograf in der Regel den Rahmen setzt, während die dargestellten Personen sich mit zum Teil hoher Risikobereitschaft und persönlichem Engagement an dem Prozess beteiligen und ihn wesentlich prägen.

Die in England lebende Künstlerin Shizuka Yokomizo beispielsweise hat Adressen von mehreren, ihr vorher unbekannten Personen recherchiert und ihnen eine Art Vertragsbrief geschickt. In diesem hat sie die Adressaten gebeten, sich zu einer bestimmten Uhrzeit an das Fenster ihrer Wohnung zu stellen und sich dort anonym fotografieren zu lassen. Wollten sie nicht an dem Projekt teilnehmen, konnten sie ihre Ablehnung durch das Zuziehen der Vorhänge deutlich machen. Yokomizos Angebot versprach die Teilnahme an einer Ausstellung und schloss die Möglichkeit ein, die Veröffentlichung der Fotos abzulehnen. Yokomizo untersucht Fragen nach der Autonomie des menschlichen Subjekts in der aktuellen Gesellschaft: Wem gehört eigentlich der Körper, wenn seine Verfügbarkeit verhandelt werden kann? Wie stark ist das Interesse des Individuums an der Kontrolle über den eigenen Körper und das eigene Bild?

Tina Barney zielt mit ihrer Serie "The Europeans" auf den Wunsch nach Repräsentation, der tief in der bürgerlichen Fotografie des 19. Jahrhunderts wurzelt. Barney dokumentiert die ausladende Selbstinszenierung der europäischen "Upper Class", die sich in überbordenden Interieurs und einer geradezu barocken körperlichen Haltung äußert. Ihre Protagonisten sind Erben des 19. Jahrhunderts, und der fremde Blick der amerikanischen Fotografin arbeitet präzise die Verpuppung einer Klasse in ihrer eigenen Tradition heraus. Ihr Bild "The Doll" zeigt Vater und Tochter, wie sie eng umschlungen auf das jüngste Kind der Familie schauen, das mit einer Puppe spielt. Aber wer ist hier wessen Spielzeug, wer die Puppe?
In den Bildern von Marjaana Kella ist der Erkenntnisgewinn der wesentliche Bestandteil der Verabredung. Sie hat Freiwillige zu Hypnosesitzungen in ihr Studio eingeladen und dabei porträtiert. Während die Fotografierten an einem außergewöhnlichen Projekt teilnehmen konnten, hat Kella mit dieser Serie Fragen der Gattung Fotografie verhandelt: Ihrer Überzeugung nach kann die Personenfotografie nicht das Wesen einer Person dokumentieren. Dadurch dass das innere Empfinden der Porträtierten, wenn sie etwa während der Hypnose in den Status eines kleinen Kindes versetzt werden, so offensichtlich von ihrer körperlichen Erscheinung als Erwachsene abweicht, wird dieser Vorgang offenbar.

Der Künstler Ashkan Sahihi hat mit einer Gruppe von Freiwilligen, die nie in Kontakt mit Drogen waren, ein Experiment durchgeführt. Er schloss sich mit jedem einzelnen über einen längeren Zeitraum in einem hell erleuchteten Studio ein; die Probanden hatten sich eine illegale Droge ausgewählt, die unter kontrollierten Bedingungen eingenommen wurde. Die Kamera hielt die spezifischen Veränderungen von Psyche und Physis fest, die normalerweise im abgedunkelten und privatisierten Raum des Drogenkonsums nicht wahrgenommen werden: Stimmungsschwankungen, Rötung der Augen, Weitung der Pupillen, Muskelkontraktionen, Sedierung etc. Während die Freiwilligen ein Interesse an einer (abgesicherten) Erfahrung in einem gemeinhin unzugänglichen Bereich motivierte, verfolgt Sahihi eine Aufklärungsabsicht. Er will dem "drug look" der Modemagazine ein realistisches Bild des Drogenkonsums entgegensetzen.

Die Fotografie hat sich von den traditionellen Fragen nach Ähnlichkeit, Authentizität, Aura oder Dokumentendienst ohne großes Federlesen verabschiedet und vielmehr Strategien aus der Bildenden Kunst integriert, die man zuvor in anderen Bereichen beobachtet hat. Bei den Fotografien dieser Ausstellung wird das besonders deutlich. Indem die beteiligten Fotografen mit den Personen, die sie fotografieren, umfangreiche Verabredungen treffen, fließen Elemente aus der Concept Art, der Performance oder von partizipatorischen Kunstformen, wie sie seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts erprobt werden, in das Bild ein. Dabei kann die Fotografie auf ihre ganz eigene Form der Technik und Erscheinung zurückgreifen. Die Ausstellung "Der Kontrakt des Fotografen" belegt mit beeindruckenden Beispielen diesen Wandel in der Fotografie der Gegenwart, bei dem die Fotografie zahlreiche Grenzen überschreitet, ohne im Kern ihre Identität preiszugeben.


Künstler

Tina Barney, Richard Billingham, Jeff Burton,
Clegg & Guttmann, Patrick Faigenbaum, Angela Fensch, Jitka Hanzlova, Peter Hujar, Marjaana Kella, Boris Michailow, Miwa Yanagi, Nicholas Nixon, Ashkan Sahihi, Thomas Struth, Andy Warhol und Shizuka Yokomizo

Kuratoren

Matthias Flügge (Akademie der Künste, Berlin) und
Markus Heinzelmann (Museum Morsbroich, Leverkusen, ehemals Siemens Arts Program)

Zweite Station der Ausstellung

Nach der Präsentation in der Akademie der Künste wird die Ausstellung vom 11. März bis 27. Mai 2007 im Museum Morsbroich in Leverkusen gezeigt.
Weitere Informationen unter www.museum-morsbroich.de

Kooperationspartner

Siemens Arts Program, Akademie der Künste, Berlin, Museum Morsbroich, Leverkusen

Ausstellungseröffnung

Sonntag, 12. November 2006, 11 Uhr, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10

Laufzeit der Ausstellung: 12. November 2006 - 7. Januar 2007


Katalog

Der Kontrakt des Fotografen,
hg. von Matthias Flügge und Markus Heinzelmann, ca. 200 Seiten, Verlag für moderne Kunst Nürnberg, ISBN 3-938821-97-3, ca. EUR 30

Öffnungszeiten: Di-So 11-20 Uhr

Eintritt: EUR 4.- / ermäßigt EUR 2,-

Quelle im Internet und weitere Informationen unter: www.adk.de


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Weitere Themen: 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51

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