Martin-Gropius-Bau - vom 5. August bis 6. November 2006
Veranstalter: Berliner Festspiele
Eine Ausstellung des Haus der Photographie / Deichtorhallen Hamburg mit freundlicher Unterstützung von Joan Munkácsi und
ullstein bild
Kuratoren:
F.C.Gundlach, Enno Kaufhold, Klaus Honnef
In Berlin ermöglicht durch den Hauptstadtkulturfonds
29.09.2006 - Er war der bestbezahlte Starfotograf seiner Zeit. Budapest - Berlin - New York hießen die Stationen seines
Erfolgs. Er fotografierte Sportler und Tänzer in Aktion, holte die Modefotografie aus den Studios und setzte das statische
Medium Fotografie in Bewegung. Martin Munkácsi (1896-1963) gilt als wichtigster Pionier des modernen Bildjournalismus. Der
Wandel des Mediums und wechselnder Zeitgeschmack ließen ihn jedoch bald in Vergessenheit geraten. Die große Retrospektive im
Martin-Gropius-Bau "Martin Munkácsi. Budapest - Berlin - New York" gibt jetzt dem gebürtigen Ungarn seine
einzigartige Position in der Geschichte der Fotografie zurück.
Die Ausstellung zeigt mehr als 350 Fotografien aus den Jahren 1923 bis 1963, darunter 300 Originalabzüge. Zahlreiche Aufnahmen
wurden nach ihrem Erscheinen in Zeitungen und Magazinen kein zweites Mal veröffentlicht und sind deshalb inzwischen nahezu
unbekannt. Jahrelang dauerte die Suche.
Bedeutende amerikanische Museen hatten die Schenkung des Munkácsi-Archivs nach
seinem Tod 1963 abgelehnt. Seine Bilder und Negative wurden in alle Welt verstreut, ein Großteil des Nachlasses ging verloren.
Nur das Ullstein-Archiv in Berlin und die Sammlung F.C. Gundlach in Hamburg besitzen noch geschlossene Konvolute seines
Lebenswerks aus den ungarischen, deutschen und amerikanischen Schaffensphasen.
Budapest - Berlin - New York
In Ungarn schlug sich der junge Reporter aus armen Verhältnissen vor allem mit Berichten und Fotos von
Sportereignissen durch. Zufällig wurde er mit seiner Kamera Zeuge einer Rauferei, die tödlich endete. Seine Fotoserie
entlastete den Angeklagten und machte auf den Fotografen aufmerksam. Er war zur rechten Zeit am rechten Ort. 1928 kam Martin
Munkácsi nach Berlin. Der Zeitungsmarkt boomte, die Berliner Zeitungsmacher pflegten enge Kontakte nach Ungarn. Auch Laszlo
Moholy-Nagy zog es 1928 nach Berlin; 1931 folgte Ernö Friedmann, der sich später Robert Capa nannte.
Munkácsis Fotos erschienen im angesehenen Mode-Magazin Die Dame, in Koralle, Uhu und Vu sowie in anderen in- und ausländischen
Blättern. Vor allem arbeitete er für die innovative Berliner Illustrirte Zeitung des Ullstein-Verlags, die eine Auflage von
mehr als einer Million Exemplaren hatte. Munkácsi lieferte zahlreiche Titel, prägnante Reportagen und brillante Bildessays.
Ihr formaler Aufbau ist noch heute vorbildlich. Stets hat er journalistische Genauigkeit mit hohem formal-ästhetischen Anspruch
verbunden. Munkácsi avancierte zu einem der hervorragendsten Vertreter des "Neuen Sehens" und der Moderne in der
Fotografie schlechthin.
Munkácsi sah sich nicht als spezialisierter Sport- oder Modefotograf, vielmehr als "Mädchen für alles". In Berlin
fotografierte er ärmliche Kellerbehausungen ebenso wie die noblen Wohnräume der Prominenz. Er hielt das fröhliche Leben im
"Luna Bad Wannsee" (1931) fest oder den kraftvollen Schlag beim "Polo-Wettkampf in Berlin Frohnau" (1929)
und er faszinierte mit einzigartigen Luftaufnahmen von einer Fliegerschule für Frauen unweit von Berlin.
Für die Berliner
Illustrirte Zeitung reiste Munkácsi in die Türkei, nach London, New York, Sizilien und Ägypten. Aus Liberia, dem ersten
unabhängigen Staat in Afrika, brachte er 1930 ein Aufsehen erregendes Bild mit: "Drei Jungen laufen in die Brandung".
Die Rückenansichten der schwarzen Kinder zwischen Sand und Gischt beeindruckten Henri Cartier-Bresson. "Es war diese
Fotografie, die für mich der Funke war, der das Feuerwerk abbrennen ließ. [?] Plötzlich begriff ich, dass es der Fotografie
möglich ist, die Ewigkeit zu erreichen - durch den Moment. Es ist die einzige Fotografie, die mich beeinflusst hat. In diesem
Bild ist eine solche Intensität, eine solche Lebensfreude, ein solches Wunder, dass ich noch heute von ihm fasziniert
bin", bekannte der französische "Meister des Augenblicks" 1977.
Auch Munkácsi wusste den richtigen
Augenblick mit seiner schweren einäugigen
9 x 12 Spiegelreflexkamera zu erfassen.
Er konnte in Sekundenschnelle abdrücken und nahm sich dabei noch Zeit zum Denken: "Think while you shoot!", war sein
Wahlspruch. Munkácsi fotografierte Motorradfahrer im spritzenden Schlamm (um 1923) oder "Mit hundert Kilometern"
(1929), er stellte Flugzeuge wie Ikonen der Technik ins Bild und flog selbst mit dem Zeppelin nach Südamerika, immer geprägt
von Tempo und Dynamik. Neben dem Sport, vor allem dem Fußball, faszinierte ihn der Tanz. "Fred Astaire auf den
Zehenspitzen" (1936) scheint kurz vor dem Abheben, während "Die Operetten-Soubrette Rosi Barsony bei ihren
hinreißenden Grotesk-Tänzen" (1933) bereits in der Luft schwebt.
Bedrohlich schieben sich dagegen die Stiefel der "Reichswehrtruppen in Marschformation" ins Bild. Am 21. März 1933
fotografierte er den "Tag von Potsdam", das geschichtsträchtige Ereignis, an dem der greise Staatspräsident Paul von
Hindenburg das Land Adolf Hitler überantwortete. Die "BIZ", die Berliner Illustrirte Zeitung, erschien mit einer
Sonderausgabe, die noch der jüdische Chefredakteur Kurt Korff verantwortete. Zwei Monate später wurde der Verlag arisiert.
Martin Munkácsi verließ 1934 Deutschland und ging, wie viele prominente Mitarbeiter des Verlages, ins Exil. In New York nahm
er den Vertrag an, dem ihm die berühmte Carmel Snow, Chefredakteurin von Harper's Bazaar, schon ein Jahr zuvor angeboten
hatte dotiert mit 100 000 Dollar.
Starfotograf mit Stargagen
In den USA wurde er vollends zum Star. Er revolutionierte die Modefotografie, indem er die Models - auch
im Winter - in Bademoden am Strand entlang laufen ließ, um etwa ein flottes Cape in schwungvoller Bewegung zu präsentieren.
Mit seinen spektakulären Modestrecken beeinflusste er auch das Bild der modernen, erfolgeichen, selbstständigen und
dynamischen westlichen Großstadtfrau.
Munkácsi veröffentlichte außerdem sehr erfolgreich in Life und holte sich den
lukrativsten Vertrag seiner Karriere beim Ladies' Home Journal für die Serienproduktion "How America lives".
Zwischen 1940 und 1946 schuf er 65 der insgesamt 78 Beiträge über das alltägliche Leben der Amerikaner quer durch alle
sozialen Schichten.
Weitere Höhepunkte seines Schaffens sind ungewöhnliche Porträts von Hollywoodstars wie Jean Harlow,
Katharine Hepburn, Leslie Howard, Jane Russel und Marlene Dietrich. Später fotografierte er für die Werbung und betätigte
sich als Kameramann beim Film. Martin Munkácsi starb weitgehend vergessen und verarmt 1963 in New York an einem Herzinfarkt,
den er während des Besuch eines Fußballspiels erlitt.
In der großen Retrospektive im Martin-Gropius-Bau werden ausgewählte Exemplare jener Zeitschriften zu sehen sein für die
Munkácsi tätig gewesen ist: die Budapester Illustrierte Pesti Napló, die Publikationen seiner Berliner Jahre wie die Berliner
Illustrirte und Uhu sowie diejenigen seiner amerikanischen Zeit, Harper's Bazaar, Life und Ladies' Home Journal.
Außerdem sind Erstausgaben seiner Eigenpublikationen und der Monographien zu seinem Schaffen sowie bedeutende fotografische
Jahrbücher, in denen er vertreten war, zu sehen.
Herausragend ist eine Reihe der wenigen noch erhaltenen Meisterwerke seiner Modefotografie. Seine ästhetischen Überzeugungen
werden illustriert durch das Dummy eines geplanten, jedoch nicht mehr realisierten Buches. Private Aufnahmen zeigen den
Fotografen bei der Arbeit und in der Freizeit.
Lebensdaten
1896 im ungarischen Kolozsvár als Sohn eines kinderreichen Malermeisters geboren.
1921 Seine ersten
Sportfotos werden in Budapest veröffentlicht.
1928 Übersiedlung nach Berlin.
1934 Emigration in die USA.
1963 Martin
Munkácsi stirbt am 14. Juli in den USA
Kuratoren der Ausstellung:
F. C. Gundlach, Enno Kaufhold und Klaus Honnef.
Die Ausstellung war 2005 unter dem Titel "Martin
Munkácsi. Think while you shoot!" im Internationalen Haus der Photographie - Deichtorhallen Hamburg zu sehen.
Katalog:
Erschienen im Steidl Verlag: Martin Munkácsi.
Herausgegeben von F. C. Gundlach, mit Essays von Klaus
Honnef und Enno Kaufhold, Steidl Verlag, Hardcover, 2005, Preis 48 EUR
ISBN 3-86521-099-6
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Montag 10 - 20 Uhr, Dienstag geschlossen
Dienstag, 3.10.2006 geöffnet
Eintritt:
6 EUR / 4 EUR ermäßigt
Familienkarte 12 EUR
Gruppen (ab 10 Personen) p.P. 4
EUR
Kombiticket:
Munkácsi / Peintures 10 EUR / 6 EUR ermäßigt
Munkácsi / Rebecca Horn 12 EUR / 8 EUR ermäßigt
Öffentliche Führungen
Samstag und Sonntag 16 Uhr, p.P.3 EUR zzgl. Eintritt 4 EUR
Angemeldete Führungen für Gruppen (60
min) 50,- EUR zzgl. Eintritt p.P. 4 EUR
Angemeldete Führungen für Schulklassen (60 min) 40,- EUR zzgl. Eintritt p.P. 2
EUR
Anmeldung:
FührungsNetz des Museumspädagogischen Dienstes Berlin,
Tel. 030 / 902699444, Fax 030 / 902699443
info[@]mdberlin.de,
www.fuehrungsnetz.de
Quelle im Internet: www.kulturkurier.de
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