25 Jahre AIDS: Tödliches Stigma bedroht die zweite Generation
Internationale Konferenz von Friedrich-Ebert-Stiftung und UNICEF / Aufruf gegen Diskriminierung mit
UN-Sonderbeauftragtem Stephen Lewis, "Miss Stigma Free" aus Botswana und Heide Simonis
10.10.06 - In den 25 Jahre seit der
Entdeckung des HI-Virus ist AIDS immer mehr zu einer Bedrohung für Kinder geworden. In einigen Ländern des südlichen Afrika
ist AIDS für Kinder bereits die Todesursache Nr. 1. Schätzungs- weise die Hälfte aller Neuansteckungen trifft junge Menschen
unter 25 Jahren. Weltweit 15 Millionen Waisen sind Stigmatisierung und Dis-kriminierung ausgeliefert. Anlässlich der heutigen
internationalen Konferenz "Generation AIDS - 25 Jahre nach der ersten Diagnose" in Berlin warnt UNICEF davor, dass der
"zweiten Generation AIDS" das Schicksal ihrer Eltern droht: Viele von ihnen werden an AIDS sterben, wenn nicht
weltweit mehr Geld und mehr politischer Wille zur Bekämpfung des Virus aufgebracht werden.
"In den gesamten 25 Jahren der Epidemie wurden die Bedürfnisse von Kindern immer hinten angestellt. Es ist erschreckend,
dass höchstens fünf Prozent der AIDS-Waisen eine staatliche Unterstützung erhalten. Weniger als zehn Prozent der
HIV-infizierten Kinder erhalten die Medikamente, die sie zum Überleben brauchen. Von AIDS betroffene Kinder sind bis heute auf
den Müllhaufen gesellschaftlicher Prioritäten verbannt", sagte Stephen Lewis, UN-Sonderbeauftragter für AIDS in Afrika,
in Berlin.
"Eines der größten Hindernisse beim Kampf gegen die Epidemie ist das Stigma, mit dem HIV-infizierte Menschen und ihre
Kinder gebrandmarkt werden. Das Stigma grenzt Menschen aus - und die Angst vor der Ausgrenzung lässt sie verstummen. Dieses
Schweigen raubt uns so den bislang einzig wirksamen Impfstoff gegen AIDS: das Wissen darüber, wie man sich vor Ansteckung
schützen kann", sagte UNICEF-Vorsitzende Heide Simonis.
Immer noch kennt weltweit weniger als die Hälfte aller jungen Menschen die Gefahren, die mit ungeschütztem Geschlechtsverkehr
verbunden sind. Selbst in besonders von der Epidemie betroffenen Regionen haben 80 Prozent der Menschen über 15 Jahre keinen
Zugang zu Aufklärungsmaterial.
"Junge Leute müssen wissen, wie sie sich vor AIDS schützen können", sagte Reginah Lesole, die in ihrem Heimatland
Botswana zur "Miss Stigma Free" 2006 gewählt wurde. Mit diesem Schönheitswettbewerb unter HIV-positiven Frauen und
Männern kämpft man dort gegen die Ausgrenzung von HIV-infizierten Menschen. "Ich möchte zeigen, dass AIDS jeden treffen
kann", sagte Reginah Lesole. Bei der 39-jährigen früheren Lehrerin wurde das tödliche Virus vor sechs Jahren
diagnostiziert. "Zu viele Menschen glauben immer noch, das Virus treffe nur arme Menschen und Randgruppen der Gesellschaft.
Dass das nicht stimmt, zeigt meine Geschichte."
Den Teufelskreis aus Stigmatisierung und Verdrängung durchbrechen
In 34 Ländern des südlichen Afrika wissen nach einem UNICEF-Bericht weniger als die Hälfte der jungen
Frauen zwischen 15 und 24 Jahren, wie HIV übertragen wird. Vier von fünf jungen Frauen in Indien wissen nicht, wie sie sich
vor HIV schützen können. Insgesamt hat nur etwa jeder dritte Jugendliche in den Entwicklungsländern ausreichende
Informationen über AIDS. Unwissen und Aberglauben führen häufig zur Diskriminierung HIV-Infizierter. Bei einer Umfrage in
einer chinesischen Küstenstadt sagten 50 Prozent der Befragten, HIV-Infizierte müssten bestraft werden. 73 Prozent waren der
Meinung, Menschen mit HIV müssten isoliert werden. Aus Angst, ausgegrenzt und stigmatisiert zu werden, schrecken vor allem
viele Männer vor einem HIV-Test zurück und verzichten auf Schutzmaßnahmen wie Kondome. Auch für Frauen ist die Hürde hoch:
Sie müssen befürchten, bei einer HIV-Infektion als Prostituierte abgestempelt zu werden.
25 Jahre AIDS - erschütternde Bilanz für Kinder und Jugendliche
Mit der Konferenz "Generation AIDS - 25 Jahre nach der ersten Diagnose" suchen UNICEF und die
Friedrich-Ebert-Stiftung nach Strategien, um gegen Stigmatisierung vorzugehen und mehr Unterstützung für von AIDS betroffene
Kinder zu mobilisieren.
AIDS-Waisen: Allein in Afrika südlich der Sahara leben 12 Millionen Kinder,
die einen oder beide Elternteile durch AIDS verloren haben. Weltweit gibt es mehr als 15 Millionen AIDS-Waisen. Und ihre Zahl
wird weiter wachsen. 2010 werden allein in Afrika schätzungsweise 15,7 Millionen Kinder ihre Mutter, ihren Vater oder beide
Elternteile an AIDS verloren haben.
Immer mehr Kinder stecken sich an: Bereits zwei Millionen HIV-infizierte
Kinder leben im südlichen Afrika. Doch auch in anderen Regionen stecken sich immer mehr Kinder an. So ist Indien inzwischen das
Land mit den meisten HIV-Infizierten weltweit. 5,7 Millionen Menschen haben sich dort bereits angesteckt, davon 130.000 Kinder
unter 15 Jahre.
Kinder werden schlechter medizinisch versorgt: Kinder sterben häufiger und
schneller an AIDS als Erwachsene - weil die Krankheit bei ihnen schneller ausbricht und weil sie bei der Behandlung
benachteiligt werden. Während inzwischen etwa 20 Prozent der Erwachsenen Viren hemmende Mittel bekommen, sind es weniger als
zehn Prozent der 660.000 behandlungsbedürftigen Kinder. Ohne eine solche Behandlung stirbt jedes zweite HIV-infizierte Kind vor
seinem zweiten Geburtstag.
Mutter-Kind-Übertragung: 90 Prozent der HIV-infizierten Kinder haben sich
vor, während oder unmittelbar nach der Geburt bei der Mutter angesteckt. Doch nur weniger als zehn Prozent der HIV-infizierten
Mütter erhalten Medikamente, die eine Übertragung des Virus auf das Kind verhindern. Ohne Behandlung liegt das
Ansteckungsrisiko bei 35 Prozent. Mit umfassender medizinischer Betreuung wie in Deutschland wird diese Gefahr auf unter zwei
Prozent gesenkt.
Bereits mehr als eine halbe Million Unterstützer für "Du und ich gegen
AIDS"
2005 hat UNICEF die weltweite Kampagne "Du und ich gegen AIDS" gestartet, um mehr Hilfe
für von AIDS betroffene Kinder zu mobilisieren. In Deutschland unterstützen bereits mehr als 500.000 Menschen mit ihrer
Unterschrift die vier Kernforderungen der UNICEF-Kampagne an Regierungen, Unternehmen und Öffentlichkeit: Medikamente und Tests
für Kinder entwickeln, Preise für Medikamente senken, Aufklärung und Schule für alle und mehr Entwicklungshilfe für die
Bekämpfung der Epidemie sowie spezielle Maßnahmen für die betroffenen Kinder.
Quelle und weitere Informationen unter: www.unicef.de
--------------------------------------------------------------
Weitere Seiten zum
Thema:
Übersicht Aids und HIV
» Abschluss der Welt-AIDS-Konferenz
» Osteuropa an der Schwelle einer AIDS-Epidemie
» Tödlicher Kreislauf von Aids und Hunger in Afrika
» Erhöhung der Mittel für den Kampf gegen AIDS
» AIDS - Bekämpfungsstrategien
» Gib Aids
keine Chance
» Internationale Aids-Konferenz in Toronto
» Rumänien - Diskriminierung von HIV-positiven Kindern
» Kaum Gesundheitsforschung für Menschen in ärmeren
Ländern
--------------------------------------------------------------
Weitere Themen: 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26
Sie haben eine Frage zum Thema "Aids, HIV" oder zum Thema "Medizin und Gesundheit" oder Sie möchten
wissen, was ist ein HI-Virus oder was versteht man unter einer Transfusion? Einige Antworten auf häufig gestellte Fragen aus
dem Bereich Soziales, Medizin und Gesundheit finden Sie unter dem Stichpunkt Glossar, an dessen Vervollkommung wir arbeiten.
Das Thema der letzten, dieser und der nächsten Seite:
Weitere Rubriken: