13 neue Sonderforschungsbereiche an deutschen Hochschulen
24. Mai 2006 - Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zum 1. Juli 2006 13 neue
Sonderforschungsbereiche ein. Darunter befinden sich 6 Transregios, also Sonderforschungsbereiche an mehreren Standorten. Die
Initiativen umfassen alle Wissenschaftsbereiche und beschäftigen sich unter anderem mit der Untersuchung der
Mensch-Maschine-Kommunikation, mit der Entwicklung des Universums und mit Mehrdeutigkeiten von Sprache.
Darüber hinaus wurden 16 Sonderforschungsbereiche für eine weitere Förderperiode bewilligt. Damit fördert die DFG insgesamt
277 Sonderforschungsbereiche, darunter 29 Transregios, also Sonderforschungsbereiche an mehreren Standorten, und außerdem 35
Transferbereiche und Transferprojekte, die gezielt die Kooperation mit der Wirtschaft stärken. Die Fördersumme für 2006
beläuft sich auf insgesamt rund 377 Millionen Euro.
Die neuen Sonderforschungsbereiche im Einzelnen:
RWTH Aachen
Der Sommer naht und gleichzeitig die Warnung vor erhöhten CO2-Werten in der Atmosphäre. Dies führt
nicht nur zu Einschränkungen im Autoverkehr, viel weitreichender sind die damit verbundenen globalen Klimaveränderungen.
Ursache für die Emission von CO2 ist die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen. Der Sonderforschungsbereich "Modellbasierte
Regelung der homogenisierten Niedertemperatur-Verbrennung" setzt sich zum Ziel, Brennverfahren so zu optimieren, dass bei
gleicher Effizienz die Emissionen niedrig bleiben. Dies kann erreicht werden, wenn man eine homogenisierte Verbrennung bei
durchschnittlich niedrigen Temperaturen durchführt. Die hierbei auftretenden Instabilitäten sollen nicht nur durch Maßnahmen
bei der Verbrennung behoben werden, sondern vor allem durch Eingriffe in die Prozessführung. Deshalb wollen die Wissenschaftler
aus Aachen und Bielefeld modellbasierte Regelungen schaffen, die den Prozess kontrollieren. (Sprecher: Prof. Norbert Peters,
Aachen)
Charite Berlin (HU Berlin und FU Berlin)
Wenn Krebserkrankungen nicht mehr durch Chemotherapie, Strahlentherapie oder Chirurgie behandelt werden
können, soll verstärkt das Immunsystem genutzt werden. Dieser Bereich der Immuntherapie ist bisher in Deutschland nur sehr
wenig erforscht. Der Transregio "Principles and Applications of Adoptive T-Cell Therapy" konzentriert sich auf die
sogenannte adoptive T-Zelltherapie bei viralen und Tumor-Erkrankungen. Die Wissenschaftler aus Berlin und München, die sowohl
die immunologische Grundlagenforschung als auch die klinische Forschung mit einbeziehen, wollen experimentelle Systeme
entwickeln, um hoch effektive T-Zellen zu generieren. Parallel dazu sollen Bedingungen für die beste Wirksamkeit identifiziert
werden, vor allem bezüglich der Überlebensdauer und der Funktion dieser Zellen. Langfristiges Ziel ist es, ausreichende Mengen
humaner T-Zellen herzustellen, die dann patientenspezifisch modifiziert und in der Klinik eingesetzt werden können. (Sprecher:
Prof. Thomas Blankenstein, Berlin)
Universität Bielefeld
Wenn schon die zwischenmenschliche Verständigung so kompliziert ist, wie soll dann erst die
Mensch-Maschine-Kommunikation funktionieren? Um dieses Problem zu lösen, untersuchen Linguisten, Neurowissenschaftler und
Computerwissenschaftler gemeinsam Gestik, Sprache und kooperatives Handeln beim Menschen. Zu den Mechanismen menschlicher
Kommunikation gehören vor allem Prozesse wie Automatisierung und Routinisierung. Im Sonderforschungsbereich "Alignment in
Communication" in Bielefeld wird Grundlagenforschung mit Anwendungsfragen so kombiniert, dass ein einheitliches
Prozessmodell der Kommunikation geschaffen und die Übertragung auf die Bereiche der multimodalen Kommunikation und der
Mensch-Maschine-Kommunikation analysiert wird. Ein zukünftiges Feld dieser Kommunikation könnte auch das
"E-Learning", also das Lernen mithilfe von digitalen Medien sein. (Sprecher: Prof. Gert Rickheit, Bielefeld)
Universität Bochum
Um sowohl eine optimale Kundenorientierung als auch eine Kostenreduktion bei allen
Kunden-Lieferanten-Prozessen zu erreichen, bestreitet die Wissenschaft neue Wege und nutzt die so genannte Theorie hybrider
Leistungsbündel (HLB). Im Zentrum des Transregios "Engineering hybrider Leistungsbündel - Dynamische Wechselwirkungen von
Sach- und Dienstleistungen in der Produktion" stehen ingenieurwissenschaftliche Fragestellungen, die ergänzt werden durch
Ansätze aus dem Controlling und Marketing. Ziel der Initiative ist es, Methoden und Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, um
eine formale Theorie zu entwickeln und diese am Beispiel von Mikroproduktionsanlagen zu testen. Beteiligt ist neben der
Universität Bochum auch die TU Berlin. (Sprecher: Prof. Horst Meier, Bochum)
TU Chemnitz
Um aktive Strukturbauteile serienmäßig zu produzieren, bedarf es wissenschaftlicher Grundlagen. Diese
will der geplante Transregio "Großserienfähige Produktionstechnologie für leichtmetall- und faserverbundbasierte
Komponenten mit integrierten Piezosensoren und -aktoren" erarbeiten. Der Schwerpunkt der Initiative der Universitäten
Chemnitz, Dresden und Erlangen-Nürnberg liegt auf dünnwandigen, flächigen Leichtbaustrukturen aus Aluminium und
Faserverbundwerkstoff, in die sogenannte piezokeramische Fasern und Laminate eingebunden sind. So sollen in Zukunft aus
adaptronischen, also sich anpassenden Werkstoffen "intelligente" Bauteile in Großserie gefertigt werden können, wie
sie zum Beispiel in der Luft- und Raumfahrt Anwendung finden. (Sprecher: Prof. Reimund Neugebauer, Chemnitz)
TU Clausthal
Jeder Werkstoff hat spezifische Eigenschaften, zum Beispiel Festigkeit, Temperaturbeständigkeit oder
chemische Beständigkeit. Je nach Einsatzgebiet im Maschinen- und Apparatebau werden Werkstoffe unterschiedlich stark belastet.
Derzeit wählt man Werkstoffe nach der zu erwartenden Höchstbelastung aus, auch wenn diese nur in einigen Bereichen auftritt.
Der Sonderforschungsbereich "Erzeugung hochfester metallischer Strukturen und Verbindungen durch gezieltes Einstellen
lokaler Eigenschaften" an der TU Clausthal und der Universität Hannover hat sich zum Ziel gesetzt, die Eigenschaften der
Werkstoffe an den jeweiligen lokalen Bedarf anzupassen. Damit soll das Anwendungsfeld der Werkstoffe erweitert und gleichzeitig
eine optimierte Nutzung gesichert werden. (Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Heinz Palkowski, Clausthal)
Universität Dortmund
Logistik umfasst im klassischen Sinn die Aktivitäten rund um den Transport, Umschlag und die Lagerung
von Gütern und Personen. Der neue Trend der "E-Logistics" stellt sich auf die individuellen Bedürfnisse der
Unternehmen ein. So wird die Logistik zur "Logistic on Demand", angepasst an unterschiedliche Lieferwünsche und
Aufträge. Der Sonderforschungsbereich "Forderungsgerechte Auslegung von intralogistischen Systemen - Logistics on
Demand" sucht nach optimierten Verfahren und Methoden und versucht, logistische Systeme an die Anforderungen aller
Interessengruppen anzupassen. In erster Linie geht es um eine verbesserte Erfassung der Anforderungen und eine
Kostenminimierung. Von zentraler Bedeutung für die Wissenschaftler der Universitäten Dortmund ist die Entwicklung von
Verfahren zur Instandhaltung und zum Qualitätsmanagement. (Sprecher: Prof. Horst-Artur Crostack, Dortmund)
Universität Greifswald
Um Staphylokokken-Infektionen, zum Beispiel "Krankenhausinfektionen", in Zukunft erfolgreicher
bekämpfen zu können, wollen Wissenschaftler aus Greifswald, Würzburg und Tübingen mithilfe der funktionellen Genomforschung
die Erreger untersuchen. Die zentrale Fragestellung des Transregios "Pathophysiologie von Staphylokokken in der
Post-Genom-Ära" ist der bislang wenig untersuchte Zusammenhang zwischen der Physiologie des Erregers und dem Verlauf der
Erkrankung. Ziel ist es, neue und interessante Zielgene und -proteine zu entdecken, die zur Resistenzentwicklung dieses
medizinisch bedeutenden Erregers beitragen, um diese dann gezielt untersuchen zu können. Hierbei kommen modernste Methoden zum
Einsatz, die bisher nur im Modell benutzt wurden. (Sprecher: Prof. Michael Hecker, Greifswald)
Universität Hamburg
Fragen zur Geschichte des Universums beschäftigen die Wissenschaftler schon seit Jahrhunderten. Erst in
jüngster Zeit fließen unterschiedliche Erklärungsansätze aus der Teilchenphysik, der frühen Kosmologie und der
Stringtheorie zusammen. Ziel des Sonderforschungsbereichs "Teilchen, Strings und frühes Universum: Struktur von Materie
und Raum-Zeit" ist es, mithilfe der drei Disziplinen eine vereinigte Theorie von Materie und Raum-Zeit zu entwickeln. Im
Zentrum stehen der Mechanismus der Massenerzeugung sowie Fragen nach dem Ursprung der Dunklen Materie und der Dunklen Energie.
Die Wissenschaftler der Universität Hamburg erhoffen sich durch die Zusammenführung theoretischer und experimenteller
Ergebnisse aus den genannten Forschungsgebieten darüber hinaus weitreichende Erkenntnisse über die Bausteine der Materie sowie
zum Verständnis der Geschichte des Universums. (Sprecher: Prof. Jan Louis, Hamburg)
Universität Heidelberg
Die Faszination des Universums liegt nicht nur in seiner Ausdehnung, sondern vor allem darin, dass das
Weltall bisher weitgehend unerforscht ist. Man bewegt sich nicht nur wissenschaftlich im Dunkeln: Circa 95 Prozent des
Universums bestehen aus Dunkler Energie und Materie. Der Transregio "Das Dunkle Universum" will systematisch mit
astrophysikalischen Beobachtungen, numerischen Simulationen und theoretischen Modellen die physikalischen Eigenschaften der
Dunklen Energie und der Dunklen Materie untersuchen, die fast vollständig ungeklärt sind. Die beteiligten Wissenschaftler aus
Heidelberg, Bonn und München erhoffen sich davon Rückschlüsse auf die zeitliche Entwicklung und die Strukturbildung des
Universums. (Sprecher: Prof. Christof Wetterich, Heidelberg)
Universität Kassel
Die Herstellung hochwertiger Massengüter bedarf einer optimalen Prozessführung, einer Flexibilisierung
der erreichbaren Produktgeometrie und besonderer Produkteigenschaften. In diesem Zusammenhang hat sich der Transregio
"Prozessintegrierte Herstellung funktional gradierter Strukturen auf der Grundlage thermo-mechanisch gekoppelter
Phänomene" zum Ziel gesetzt, diese Eigenschaften bei Verfahren der Metall- und Kunstoffformgebung zu erreichen. Um diese
neuartigen Prozessvarianten zu erreichen, sind sowohl experimentell gestützte Grundlagenuntersuchungen nötig als auch Modelle
und Simulationen, die exakt den Prozessverlauf und die Produkteigenschaften vorhersagen. Ziel der Initiative der Universitäten
Kassel, Dortmund und Paderborn ist es, die Werkstoffbehandlung prozessorientiert durchzuführen und neuartige
Produktionsstrukturen zu entwickeln. (Sprecher: Prof. Kurt Steinhoff, Kassel)
Universität Köln
Jedes Jahr im Winter plagt den Menschen die Erkältung - eine Infektion, die meist nach wenigen Tagen
überstanden ist. Doch es gibt andere Infektionskrankheiten wie beispielsweise Hepatitis, die langwieriger und gefährlicher
sind. Diese Krankheiten werden durch Erreger hervorgerufen, die unsere Immunabwehr nicht bekämpfen kann. Die Wissenschaftler
des Sonderforschungsbereichs "Zell-autonome Immunität" an den Universitäten Köln und Bonn sowie am
Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln untersuchen nicht nur menschliche, sondern erstmals vergleichend auch
pflanzliche Zellen, die im Wesentlichen auf ihre zell-autonome Abwehr angewiesen sind. Ziel ist es, neue Erkenntnisse über die
Abwehrmechanismen zu gewinnen, die innerhalb einzelner Zellen stattfinden. Auf lange Sicht können die Ergebnisse des
Sonderforschungsbereichs für therapeutische Anwendungen nützlich sein. (Sprecher: Prof. Martin Krönke, Köln)
Universität Stuttgart
Unterschiedliche Lesarten und Interpretationen ein und desselben Satzes werden in der Linguistik als
Ambiguitäten bezeichnet. Ziel des Sonderforschungsbereichs "Inkrementelle Spezifikation im Kontext" an der
Universität Stuttgart ist es, ein besseres Verständnis der Mechanismen zu gewinnen, die es ermöglichen, Ambiguitäten zu
kontrollieren beziehungsweise aufzulösen. Dabei spielt der Kontext eine besondere Rolle, da er wichtige Informationen zur
Interpretation und zur richtigen Lesart liefert. Das linguistisch und computerlinguistisch ausgerichtete Kooperationsprojekt
legt die Annahme zugrunde, dass es eine enge Interaktion zwischen Kontext und Bedeutung gibt. Daher sei es wichtig, den Kontext
früh in die linguistische Analyse einzubeziehen, um bestimmte Lesarten zu eliminieren. Die Wissenschaftler wollen auf lange
Sicht linguistische Informationen in die statistische Modellierung von Sprache integrieren. (Sprecher: Prof. Artemis Alexiadou,
Stuttgart)
Die neuen Transferbereiche:
RWTH Aachen
Der Transferbereich "Neue Konzepte und Werkzeuge für die Verfahrenstechnik-Praxis" baut auf
Ergebnissen des Aachener Sonderforschungsbereichs "Informatische Unterstützung übergreifender Entwicklungsprozesse in der
Verfahrenstechnik" auf. Die dort erarbeiteten Grundlagen sollen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Anwendern umgesetzt und
überprüft werden. Es geht dabei um anwendungsbezogene Modellierungsfragen sowohl verfahrenstechnischer als auch
arbeitswissenschaftlicher Art. Dabei werden informatische Fragen der Software-Implementierung behandelt, insbesondere zu den
Themen Datenverwaltung, softwaretechnischer Werkzeugbau und -integration sowie verwendete Infrastrukturen. (Sprecher: Prof.
Manfred Nagl, Aachen)
TU Berlin
LCD-Flachbildschirme bieten nicht nur ein optimales Fernseherlebnis, sie sind auch dezent in ihrer
äußeren Form. Der Transferbereich "Management, Produkte, Prozesse und Technologien für praktische Produkt- und
Materialkreisläufe" will die Ergebnisse des Sonderforschungsbereichs "Demontagefabriken zur Rückgewinnung von
Ressourcen in Produkt- und Materialkreisläufen" so aufbereiten, dass deren Übertragung in die Industrie erleichtert wird.
Im Zentrum stehen dabei Themen zur Betriebsmittelplanung und zu Materialkreisläufen. Langfristig wollen die Wissenschaftler
praxistaugliche Verfahren und Werkzeuge entwickeln. (Sprecher: Prof. Günther Seliger, Berlin)
Universität Stuttgart
Die steigende Zahl neuer Produkte auf dem Markt zwingt die Unternehmen zu neuen Herstellungsverfahren
und verkürzten Zeiten bei der Entwicklung von Prototypen. Der Transferbereich "Entwicklung und Erprobung innovativer
Produkte - Rapid Prototyping", der auf die Arbeiten des gleichnamigen Sonderforschungsbereichs zurückgeht, will nutzbare
und flexible Instrumente entwickeln, die sowohl den Kunden als auch den Unternehmen gerecht werden. So sollen vor allem
vorhandene Ergebnisse bereits in eine frühe Phase der Produktentwicklung einfließen. Dazu gehört unter anderem die
arbeitswissenschaftliche Gestaltung von Kooperationsprozessen. (Sprecher: Prof. Bernd Bertsche, Stuttgart)
Weiterführende Informationen
Nähere Informationen erteilt Dr. Klaus Wehrberger (Leiter der Gruppe Sonderforschungsbereiche), Tel. 0228/885-2355, E-Mail:
Klaus.Wehrberger[@]dfg.de.
Mehr zu den Sonderforschungsbereichen der DFG unter www.dfg.de/sfb/.
Quelle: www.dfg.de
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