UNICEF und BICC: Bundesregierung muss Vorreiter bei Waffenkontrolle werden.
23.06.06 - Vor der UN-Konferenz zu Kleinwaffen, die vom 26. Juni bis 7. Juli in New York stattfindet,
fordern UNICEF und BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) ein internationales Abkommen, das den Handel mit Kleinwaffen
kontrolliert. "Die Bundesregierung muss in New York auf konkrete und verpflichtende Regelungen drängen, auch wenn einige
Staaten dies offenbar verhindern wollen", sagte UNICEF-Vorsitzende Heide Simonis. "Kleinwaffen sind die wahren
Massenvernichtungswaffen unserer Zeit. Sie bringen jedes Jahr 500.000 Menschen den Tod, darunter Tausende Kinder und
Jugendliche."
Mit Schusswaffen wie Pistolen und Maschinengewehren werden heute mehr Menschen getötet als mit allen anderen Waffensystemen.
Schätzungsweise neun von zehn Kriegsopfern sterben durch Kleinwaffen. Sie sind billig, leicht und einfach zu bedienen sind.
Erst durch die Verfügbarkeit von Gewehren wie dem russischen AK-47 oder dem deutschen G 3 wird möglich, dass weltweit rund
250.000 Kinder als Soldaten missbraucht und zum Töten gezwungen werden. Friedensbemühungen wie derzeit in der Demokratischen
Republik Kongo werden durch die massenhafte Verbreitung von Kleinwaffen erheblich erschwert. UNICEF und BICC fordern deshalb,
dass überschüssige Waffen weltweit eingesammelt und vernichtet werden.
"Die Fortschritte seit der ersten internationalen Kleinwaffenkonferenz vor fünf Jahren sind unbefriedigend. Denn das
damals beschlossene Aktionsprogramm hat viele Lücken und ist nicht rechtsverbindlich. Staaten, die es missachten, müssen
keinerlei Konsequenzen befürchten. Wir brauchen ein verbindliches Abkommen zum Waffenhandel, das Kriterien wie Menschenrechte
und Konfliktsituationen streng berücksichtigt", erklärte Peter Croll, Geschäftsführer des BICC.
Weltweit gibt es rund 600 Millionen Kleinwaffen - umgerechnet kommt eine Waffe auf zehn Menschen. Schon
Zehnjährige können mit einem Gewehr wie der Kalaschnikow AK-47 das Töten lernen. Martialisch aussehende Minderjährige mit
einem Sturmgewehr sind zum traurigen Symbol der jüngsten Kriege vor allem auf dem afrikanischen Kontinent geworden. In den
meisten aktuellen Kriegen und Konflikten spielen Kleinwaffen eine entscheidende Rolle.
Dies gilt auch für den Krieg in der Demokratischen Republik Kongo. Obwohl während der achtjährigen Auseinandersetzungen kaum
große Waffen oder flächendeckende Bombardierungen eingesetzt wurden, starben vier Millionen Menschen - 2,8 Millionen von ihnen
allein im Osten des Landes. Kinder sind wie erwachsene Zivilisten direkte Kriegsopfer, wenn marodierende Banden Dörfer
überfallen. "Es ist in erster Linie ein Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Oft sind die Kämpfe zwischen den bewaffneten
Banden sogar eher unblutig. In Ituri waren zum Beispiel bei einer Kampfhandlung zwischen zwei Kriegsparteien unter den 30
Todesopfern nur zwei bewaffnete Milizionäre", sagt Johannes Wedenig, Leiter der UNICEF-Programme im Ostkongo.
Zusätzlich leiden Kinder stärker als Erwachsene unter den indirekten Kriegsfolgen wie dem Zusammenbruch der
Gesundheitsversorgung, Mangelernährung und fehlendem Trinkwasser. Oft können sie nicht mehr zur Schule gehen ,und haben
deshalb auch nach dem Ende der Kämpfe keine Aussicht auf eine bessere Zukunft. Die Folgen: "Kleinkinder sterben doppelt so
häufig an den Kriegsfolgen wie Erwachsene. Kinder unter fünf Jahren machen im Ostkongo nur 19 Prozent der Bevölkerung aus.
Doch unter den Todesopfern lag ihr Anteil bei 45 Prozent. Im Jahr 2004 starben jeden Monat schätzungsweise 12.000 Kleinkinder,
das sind 400 pro Tag ", so Johannes Wedenig.
Die weite Verbreitung von Kleinwaffen erleichtert den Einsatz von Kindersoldaten. Im Ostkongo kämpften zeitweise 18.000 Jungen
und Mädchen, jeder dritte Soldat war ein Kind. Oft wurden Kinder aus Schulen entführt und direkt an vorderster Front in den
Kampf geschickt. Mädchen wurden meist auch sexuell missbraucht. Wer versuchte zu fliehen, wurde selbst erschossen. Noch Jahre
später leiden die Kinder unter Alpträumen. Bisher haben UNICEF und Partnerorganisationen mehr als 5.800 Jungen und fast 1.300
Mädchen demobilisiert und zu ihren Familien zurückgebracht. Noch heute leben schätzungsweise 5.000 bis 7.000 Kinder bei
bewaffneten Einheiten. Immer wieder flackern Kämpfe zwischen rivalisierenden Gruppen auf und behindern den Friedensprozess.
Fünf Jahre nach der ersten Kleinwaffenkonferenz der Vereinten Nationen beteiligen sich inzwischen 150
Länder an der Umsetzung des seinerzeit beschlossenen Aktionsprogramms. 120 Länder haben über ihre Bemühungen zur
Kleinwaffenkontrolle gegenüber den Vereinten Nationen Bericht erstattet. Dies hat zu mehr Transparenz und verbessertem
Informationsaustausch beigetragen. Doch die zentralen Probleme, die eine wirksame Kleinwaffenkontrolle bislang verhindern,
bleiben bestehen:
» Das vor fünf Jahren beschlossene Aktionsprogramm bezieht sich ausschließlich auf Waffen in staatlichem Besitz. Die
schätzungsweise 60 Prozent der Kleinwaffen, die sich in den Händen von Privatleuten oder Milizen befinden, werden nicht
erfasst. Dabei dürfte gerade von diesen Waffen die größte Gefahr ausgehen.
» Das Aktionsprogramm befasst sich ausschließlich mit dem Waffenhandel zwischen Staaten. Der Handel mit nichtstaatlichen
Akteuren bleibt außen vor. Dem Sicherheitsrisiko durch nicht staatliche bewaffnete Gruppen wie Paramilitärs oder Guerillas,
kriminelle und terroristische agierende Einheiten wird nicht Rechnung getragen. Außerdem fehlt es an einheitlichen und
rechtlich verbindlichen Richtlinien zum Waffenexport.
» Das gesamte Aktionsprogramm ist 2001 auf Druck einiger Staaten, darunter die USA, Russland und China unverbindlich geblieben.
Jedem Staat steht es frei, die darin aufgeführten Maßnahmen umzusetzen. Verstöße werden nicht geahndet. Das
Schusswaffenprotokoll, das 2005 als Ergänzung des UN-Abkommens gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität in Kraft
trat, ist nur für die Staaten verbindlich, die es ratifiziert haben. Weder die USA noch Russland noch die EU haben dies bislang
getan. In Deutschland ist eine Ratifizierung jetzt immerhin in Reichweite.
» Die Bundesrepublik soll sich für ein verbindliches internationales Waffenhandels- abkommen
einsetzen, das Kriterien wie Menschenrechte und Konfliktsituationen berücksichtigt.
» Waffen müssen nach
internationalen Standards gekennzeichnet und registriert und die Gesetze über den Export von Munition nach international
einheitlichen Kriterien verschärft werden.
» Auch für den zivilen Waffenbesitz und privaten Waffenhandel müssen rechtsverbindliche Grundlagen und Kontrollmechanismen
geschaffen werden.
» Überschüssige Waffen müssen weltweit eingesammelt und vernichtet werden. Die Bundeswehr muss die Verschrottung von
G3-Gewehren fortsetzen. Sie hat bislang 360.000 von 400.000 Sturmgewehren vernichtet und damit ihre Zusage gegenüber UNICEF und
BICC fast erfüllt.
» Mit Blick auf die deutsche EU-Präsidentschaft 2007 soll die Bundesrepublik Vorreiter sein und sich für EU-weit rechtlich
verbindliche Rüstungsexportkriterien einsetzen.
» Die Bundesregierung soll zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für Kleinwaffenkontrolle in Entwicklungsländern
einsetzen, sowie Programme zur Entwaffnung und Wiedereingliederung von (Kinder-) Soldaten, fördern.
Quelle: www.unicef.de
--------------------------------------------
Weitere Themen: 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 12a
Sie haben eine Frage zum Thema "UN-Konferenz zur Kontrolle von Kleinwaffen" oder Sie möchten wissen, was ist oder was
bedeutet das Wort Souveränität, was das Wort Soziologie oder Konvention? Einige Antworten auf häufig gestellte Fragen finden
Sie unter dem Stichpunkt Glossar und einige weiterführende Erläuterungen
unter Brennpunkte I und II.
Das Thema der letzten, dieser und der nächsten Seite:
Weitere Rubriken: