07.09.2006 (15.05) - Algen, Enzyme und Nanopartikel haben es in sich. Sie produzieren Vitamine,
beschleunigen chemische Prozesse und trennen unerwünschte Stoffe. Drei Institute des Fraunhofer-Verbunds Life Sciences VLS
zeigten auf der Achema in Frankfurt, wie sie diese Eigenschaften nutzen können. Der Verbund präsentierte dort vom 15. bis 19.
Mai »Biotechnische Lösungen für die Industrie«.
Algen aus dem Bioreaktor
Algen sind eine bislang wenig genutzte natürliche Rohstoffquelle. Dabei könnten sie zur Lösung von
weltweiten Ernährungs- und Gesundheitsproblemen beitragen. Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik
IGB zeigt in Frankfurt einen Photobioreaktor, mit dem sich spezielle Mikroalgen kultivieren lassen. »Algen sind sehr genügsam,
sie brauchen nur Sonnenlicht, Kohlendioxid, Nitrat und Phosphat für ihr Wachstum«, erklärt Dr. Ulrike Schmid-Staiger vom IGB,
»wichtig ist aber, dass im Reaktor jede Alge ausreichend versorgt wird, damit die Produktion auch wirtschaftlich ist«. Der
Flat-Panel-Airlift-Reaktor (FPA) ist so konstruiert, dass durch gezielte Strömungsführung alle Algenzellen besser mit Licht
und Substrat versorgt werden können. »Wir kultivieren zusammen mit unserem Spin-off Subitec eine Alge namens Haematococcus
pluvialis. Sie ist der Organismus mit dem höchsten Gehalt an Astaxanthin«, erläutert Schmid-Staiger. Der rote Farbstoff
färbt zum Beispiel das Fleisch von Fischen, wenn sie ihn über die Nahrung aufnehmen. Er wird deshalb vor allem in Aquakulturen
verfüttert.
»Wir konzentrieren uns auf seine gesundheitsfördernde Wirkung für den Menschen: sein antioxidatives Potenzial und seinen
positiven Einfluss auf das Herz-Kreislaufsystem sowie die Sehfunktion«. Die Alge Phaeodactylum tricornutum hingegen liefert
Omega-3-Fettsäuren, vor allem EPA - Eicosapentaensäure, die wichtig für den Menschen ist. Mit dem FPA-Reaktor konnten die
Wissenschaftler sowohl die Produktion von Astaxanthin wie auch von EPA in den Algen erhöhen.
Screening von Enzymen
Enzyme sind Biokatalysatoren, ohne sie wären viele biochemische Vorgänge nicht oder nur sehr langsam
möglich. Die Forscher am IGB befassen sich seit mehr als zehn Jahren mit der Suche, dem »Screening«, nach neuen industriell
nutzbaren Enzymen. Sie optimieren diese und stellen rekombinante Varianten her. Aus diesen Erfahrungen entstand das
»Screening-Center«, das auf der Achema präsentiert wird. Am Center wurden mehrere metagenomische Genbibliotheken aus
verschiedenen Habitaten, von der Mülldeponie bis zum Meerwassergraben, hergestellt und auf Enzymaktivitäten untersucht. Die
gefundenen Enzyme sind allesamt noch nicht beschrieben. Es ist also gelungen, auch das Potenzial nicht kultivierbarer
Mikroorganismen zu erschließen. Das IGB stellt damit der Chemie, Pharmazie oder Lebensmitteltechnologie bisher unbekannte
Enzyme zur Verfügung.
Nanocytes®: Nanopartikel als »Rezeptoren«
Bei vielen biotechnologischen oder industriellen Prozessen ist die spezifische Abtrennung von Molekülen
aus Gemischen eine Schlüsselaufgabe. Stoffe sollen rein gewonnen, störende Begleiter entfernt werden. Nanopartikel bringen die
Lösung, wenn sie »molekular geprägt« sind, wie die NanoMIPs aus dem IGB. »Darunter verstehen wir veredelte Polymere, die -
wie Rezeptoren - nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip funktionieren. Sie erkennen spezifisch Biomoleküle und Wirkstoffe und
»docken« an den richtigen Stellen an,« erklärt Priv.-Doz. Dr. Günter Tovar. Der große Vorteil: Nanopartikel sind stabiler
als biomolekulare Rezeptoren. Das IGB stellt mit solchen Nanopartikeln Kompositmembranen her, die bei hochselektiven
Trennungsprozessen zum Einsatz kommen: Das Stoffgemisch, das aufgetrennt werden soll, durchströmt die Membran, die Nanopartikel
halten die abzutrennende Substanz zurück. Die Forscher zeigen am Stand sowohl ein Modell eines molekular geprägten
Nanopartikels, wie auch Elemente der Trenntechnik und der Aufarbeitung.
Monoklonale Antikörper
Das Fraunhofer-Institut für Molekulare Biotechnologie und Angewandte Oekologie IME aus Aachen stellt
auf der Achema einen Perfusionsbioreaktor vor, mit dem monoklonale Antikörper in tierischen Zellkulturen hergestellt werden.
Mit dem System lassen sich Mengen biszu einigen Gramm produzieren. Dies ist unter anderem für »proof-of-principle«-Versuche
geeignet. Sie überprüfen, ob die Ergebnisse der Grundlagenforschung praktisch zu realisieren sind.
Non-Target-Analytik
In komplexen Gemischen anorganischer und organischer Stoffe sind zahlreiche unbekannte Verbindungen
enthalten. Vielkomponentengemische findet man in Körperflüssigkeiten, Umweltproben, bei Pflanzenextrakten und in technischen
Produkten. Unbekannte Stoffe zu identifizieren, ist Aufgabe der Non-Target-Analytik. Das Fraunhofer-Institut für Toxikologie
und Experimentelle Medizin ITEM in Hannover präsentiert ein System, um das Schadstoffspektrum in Altlastflächen zu
analysieren. Dazu kombinieren die Forscher Trennmethoden, wie z. B. die Hochdruckflüssigkeits- chromatographie (HPLC) mit
Methoden, die Aussagen über Masse und das Aussehen einer Verbindung liefern. Beispielsweise ist für polare, schwerflüchtige
Verbindungen die LC-SPE-NMR-MS-Kopplung am besten geeignet: Sie verbindet die Hochdruck- flüssigkeitschromatographie (HPLC)
über ein Anreicherungsverfahren (SPE) mit den wichtigsten strukturanalytischen Methoden, der Kernresonanzspektroskopie (NMR)
und der Massenspektrometrie (MS).
Über den Fraunhofer-Verbund Life Sciences VLS
Der VLS wurde Mitte 2001 von den Fraunhofer-Instituten IBMT, IGB, IME und ITEM gegründet, 2005 trat das
neu gegründete Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI bei. Der Verbund bündelt die Kompetenzen seiner
Mitglieder und bietet ein breites Methodenspektrum im Bereich der Life Sciences. Unter dem Motto »Forschung für die Gesundheit
und die Umwelt des Menschen« arbeitet der VLS sowohl präventiv für den Umweltschutz als auch regenerativ für medizinische
Therapie und Umweltsanierung. Dies berücksichtigt neue Erkenntnisse aus der Genom-, Proteom- und Metabolomforschung.
Quelle im Internet und weitere Informationen unter: www.fraunhofer.de
--------------------------------------------------------
Weitere Themen: 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38
Sie haben eine Frage zum Thema "Algen und Bioreaktor" oder Sie möchten wissen, was ist ein Habitat (Lebensraum), oder
was ist eine Metamorphose? Einige Antworten auf häufig gestellte Fragen finden Sie unter dem Stichpunkt Glossar und einige weiterführende Erläuterungen unter Brennpunkte I und II.
Das Thema der letzten, dieser und der nächsten Seite:
Weitere Rubriken: