NABU Thüringen setzt wissenschaftliche Fakten gegen Spekulationen in der Diskussion um das Beutespektrum des Wolfes und unterstützt eine rasche Präventions- und Entschädigungslösung für Weidetierhalter
Jena im März 2015 - Seit gut 150 Jahren galt der Wolf in Thüringen als ausgestorben. "Nun ist
Thüringen wieder Wolfsland. Die Menschen müssen sich aber erst wieder an die Anwesenheit dieses faszinierenden Beutegreifers
gewöhnen", erklärt Silvester Tamás ein Sprecher der Landesarbeitsgruppe Wolf im NABU Thüringen. "Vor allem gibt es
zu viele Spekulationen in Bezug auf das Beutespektrum des Wolfes und viele Rissspuren werden dem Wolf einfach nur angedichtet
ohne wissenschaftliche Beweise hierfür zu nennen."
Das Schalenwild, die Hauptbeute des Wolfes, ist über lange Zeiträume, im komplexen Wechselspiel zwischen Jäger und Gejagtem
erst zu dem geworden, was es heute ist. Attraktiv für die Jagd und für schmackhafte Gaumenfreuden. Wolf und Mensch teilten
sich lange Zeit die selben Lebensräume und Ressourcen. Heute jedoch entstehen in unserer dichten Siedlungslandschaft dort
Konflikte mit der Natur, wo Verkehr Wildtiere bedroht und Weidetiere ungeschützt oder gar herrenlos in der Landschaft
weiden.
"Wiederholt kam es in der Vergangenheit in Thüringen zu Übergriffen von Füchsen und streunenden Hunden auf ungeschützte
Weidetiere, nämlich immer dann, wenn Herdenschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel ausreichend hohe und spannungsführende
Elektronetzzäune fehlten", weiß Silvester Tamás. Wölfe als Verursacher von Nutztierschäden konnten in Thüringen
bislang nicht amtlich nachgewiesen werden.
Was der Wolf wirklich frisst, dass zeigen wissenschaftliche Untersuchungen am Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz.
Mehrere Tausend in Deutschland gesammelten Kotproben des Wolfes belegen: Wölfe ernähren sich zu über 94 Prozent von
wildlebenden Schalenwildarten, wie Reh-, Rot- und Schwarz-, örtlich auch von Dam- und Muffelwild. Seltener von Hasen, Nutrias,
Füchsen, Marderhunden, Kleinsäugern, Vögeln, Fischen und Früchten.
Die geschätzte Schalenwildnutzung eines Wolfsrudels mit einem Rudelterritorium von zirka 250 Quadratkilometern in der Lausitz
liegt nach derzeitigen Erkenntnissen bei etwa 2,2 Stück Schalenwild auf 100 Hektar und Jahr. Jäger in der Oberlausitz erlegen
auf der gleichen Fläche etwa zehnmal soviel Rotund Schwarzwild wie die Wölfe. Viel seltener dagegen nutzen Wölfe auch
Weidetiere.
"Der Anteil liegt aber deutlich unter einem Prozent! Zu Übergriffen auf Weidetiere kommt es häufig dann, wenn besagter
Schutz der Nutztiere durch Zaun und Herdenschutzhunde fehlt", so der Sprecher der Landesarbeitsgruppe Wolf.
Dieser präventive Schutz vor potentiellen Übergriffen von streunenden Haushunden, Füchsen, Wölfen und Luchsen ist aufwendig
und teuer. Für die Weidetierhalter bedeutet dies eine zusätzliche zeitliche, wie finanzielle Belastung. Laut NABU Thüringen
ist es deshalb wichtig, jetzt schnell zu handeln und betroffene Weidetierhalter in ausgewiesenen Wolfsgebieten mit finanziellen
Mitteln für den präventiven Herdenschutz zu unterstützen. Dort wo die Maßnahmen schnell und unkompliziert umgesetzt werden,
ist auch die Akzeptanz der betroffenen Weidetierhalter gegenüber den wildlebenden Beutegreifern wie Luchs und Wolf
vergleichsweise groß, so der NABU.
Eine sachliche, faktenbezogene und vernetzte Auseinandersetzung mit der Thematik Wolf wird auf der NABU-Fachtagung unter dem
Titel "15 Jahre Wölfe in Deutschland - Rückkehr nach Thüringen", am 18. April in Jena, stattfinden. Besondere
Beachtung wird den Anliegen von Weidetierhaltern und Gehegewildbetreibern auf der Fachtagung geschenkt. Die Fachtagung soll
deshalb den Blick auch auf ihre Anliegen und Belange lenken, um gemeinsame Lösungsansätze in Bezug auf die zukünftige
Zusammenarbeit und Maßnahmen im Herdenschutz zu erörtern. An der Fachtagung wird auch Anja Siegesmund, die Thüringer
Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz,teilnehmen.
Weitere Informationen zur Fachtagung und Anmeldungen finden Sie unter:
www.NABU-Thueringen.de
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