UNHCR-Bericht warnt vor gefährlichen neuen Entwicklungen
Knapp 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten und Verfolgung. Dies
ist die höchste Zahl, die jemals von UNHCR verzeichnet wurde, und sie wächst rasant, wie der heute veröffentlichte
statistische UNHCR-Jahresbericht Global Trends belegt.
Ende 2014 waren 59,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Im Vergleich dazu waren es ein Jahr zuvor 51,2 Millionen Menschen, vor
zehn Jahren 37,5 Millionen Menschen. Die Steigerung von 2013 auf 2014 war die höchste, die jemals im Laufe eines Jahres von
UNHCR dokumentiert wurde.
© Quelle: UNHCR | Menschen auf der Flucht in den Jahren 2005 bis 2014
Diese Entwicklung begann 2011 mit dem Ausbruch des Krieges in Syrien, der mittlerweile weltweit die
größten Fluchtbewegungen verursacht hat. Weltweit wurden im Jahr 2014 täglich durchschnittlich 42.500 Menschen zu
Flüchtlingen, Asylsuchenden oder Binnenvertriebenen. Das entspricht einer Vervierfachung über die letzten vier Jahre.
Statistisch betrachtet ist von 122 Menschen weltweit aktuell eine Person entweder ein Flüchtling, binnenvertrieben oder
asylsuchend. Wären alle Menschen auf der Flucht Bürgerinnen und Bürger eines einzigen Landes, wäre es die 24.-größte
Nation der Welt.
"Wir werden aktuell Zeugen eines Paradigmenwechsels. Wir geraten in eine Epoche, in der das Ausmaß der globalen Flucht und
Vertreibung sowie die zu deren Bewältigung notwendigen Reaktionen alles davor Gewesene in den Schatten stellen", so
UN-Flüchtlingskommissar António Guterres. "Es ist erschreckend zu beobachten, dass jene straflos bleiben, die Konflikte
auslösen. Gleichzeitig scheint die internationale Gemeinschaft unfähig zur Zusammenarbeit, um Kriege zu beenden sowie Frieden
zu schaffen und sichern."
Weiterhin zeigt der UNHCR-Bericht auf, dass in allen Regionen sowohl die Zahl der Flüchtlinge als auch der Binnenvertriebenen
steigen. In den letzten fünf Jahren sind mindestens 15 neue Konflikte ausgebrochen oder wieder aufgeflammt:
Nur wenige Krisen konnten beigelegt werden, die Mehrzahl verursacht weiterhin Flucht und Vertreibung. So konnten vergangenes Jahr nur 126.800 Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren – die niedrigste Anzahl seit 31 Jahren.
© Quelle: UNHCR | Rückkehrer in den Jahren 2010 bis 2014
Jahrzehntelange Instabilität und Konflikte in Afghanistan, Somalia und anderswo bedeuten, dass
Millionen von Menschen weiterhin nicht zurückkehren können und immer häufiger als Flüchtlinge und Binnenvertriebene mit
ungewisser Zukunft an den Rändern der Gesellschaft leben müssen.
Aktuelle, weithin sichtbare Auswirkung der weltweiten Konflikte und dem damit einhergehenden unfassbaren Leid ist die dramatisch
ansteigende und besonders gefährliche Flucht über das Meer, sei es über das Mittelmeer, über den Golf von Aden und das Rote
Meer oder in südostasiatischen Gewässern.
Laut dem Global Trends Report wurden allein im Jahr 2014 insgesamt 13,9 Millionen Menschen zu Flüchtlingen oder
Binnenvertriebenen – viermal so viele wie noch 2010. Weltweit gab es im letzten Jahr insgesamt 19,5 Millionen Flüchtlinge
(2013: 16,7 Millionen), 38,2 Millionen Binnenvertriebene (2013: 33,3 Millionen) und 1,8 Millionen Asylsuchende, die noch auf den Ausgang ihres
Asylverfahrens warteten (2013: 1,2 Millionen). Besonders alarmierend: Die Hälfte
aller Flüchtlinge sind Kinder.
"Riesige Defizite bei der Finanzierung und große Lücken im globalen System zum Schutz von zivilen Kriegsopfern führen
dazu, dass Menschen im Stich gelassen werden, die Mitgefühl, Unterstützung und sichere Zuflucht benötigen", so Guterres.
"In einer Zeit der beispiellosen Massenflucht und -vertreibung brauchen wir eine ebenso beispiellose humanitäre
Unterstützung und ein erneuertes globales Bekenntnis zu Toleranz und Schutz für Menschen auf der Flucht vor Krieg und
Verfolgung."
Der Krieg in Syrien hat weltweit die meisten Menschen zur Flucht gezwungen, sowohl innerhalb (7,6
Millionen Binnenvertriebene) als auch außerhalb des eigenen Landes (3,88 Millionen
Flüchtlinge). Es folgen Afghanistan (2,59 Millionen Flüchtlinge) und
Somalia (1,1 Millionen Flüchtlinge).
Selbst in Zeiten stark ansteigender Zahlen sind Flüchtlinge global sehr ungleich verteilt. Reichere Länder nehmen weit weniger
Flüchtlinge auf als weniger reiche. Knapp neun von zehn Flüchtlingen (86 Prozent)
befanden sich 2014 in Ländern, die als wirtschaftlich weniger entwickelt gelten. Ein Viertel aller Flüchtlinge war in Staaten,
die auf der UN-Liste der am wenigsten entwickelten Länder zu finden sind.
Der Konflikt in der Ukraine, 219.000 Mittelmeerüberquerungen sowie die sehr große Zahl von 1,59 Millionen syrischen Flüchtlingen in der Türkei (Ende 2014) – die somit auch zum größten Flüchtlingsaufnahmeland weltweit wurde – lenkte sowohl im positiven als auch negativen Sinn verstärkt die Aufmerksamkeit auf Flüchtlingsfragen. In der EU wurden die meisten Asylanträge in Deutschland und Schweden gestellt. Insgesamt wurden in Europa mit Ende des Jahres 6,7 Millionen Menschen gezählt, die zwangsweise ihre eigentliche Heimat bzw. Heimatregion verlassen mussten: Ein Viertel davon waren syrische Flüchtlinge in der Türkei. Zum Vergleich: 2013 waren es in Europa insgesamt 4,4 Millionen.
Allein das massive Leid des Kriegs in Syrien mit 7,6 Millionen Binnenvertriebenen und 3,88 Millionen Flüchtlingen in der benachbarten Region machten den Nahen Osten zur größten Herkunftsregion. Neben den alarmierenden Zahlen zu Syrien wurde auch der Irak erneut zum Brennpunkt: 2,6 Millionen Menschen mussten im letzten Jahr aus ihren Heimatorten fliehen. Insgesamt waren damit im Irak 3,6 Millionen Menschen innerhalb des Landes Binnenvertriebene. Auch innerhalb Libyens mussten 309.000 Menschen fliehen.
Die zahlreichen Konflikte in Afrika – wie zum Beispiel in der Zentralafrikanischen Republik, dem Südsudan, in Somalia, Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo und anderswo werden häufig übersehen. Gleichwohl haben sie insgesamt eine immense Zahl an Fluchtbewegungen ausgelöst, die kaum niedriger ist als im Nahen Osten. Insgesamt gab es in den Sub-Sahara-Ländern 3,7 Millionen Flüchtlinge und 11,4 Millionen Binnenvertriebene, von ihnen sind 4,5 Millionen Menschen 2014 zur Flucht gezwungen worden. Die aktuellen Zahlen weisen keine Daten für Nigeria auf, weil dort 2014 die statistischen Erhebungsmethoden für Binnenvertriebene geändert wurden. Äthiopien hat Kenia an der Spitze der Aufnahmeländer in Afrika abgelöst und befindet sich nun global auf Rang fünf.
Die Zahl der Binnenvertriebenen und Flüchtlinge ist im letzten Jahr in Asien um 31 Prozent gestiegen. Afghanistan, das weltweit die Liste der Hauptherkunftsländer von Flüchtlingen anführte, hat diesen traurigen Spitzenplatz an Syrien abgegeben. Fortdauernde Fluchtbewegungen wurden in und aus Myanmar registriert, darunter Rohingya aus dem westlichen Rakhine-Staat und aus den Kachin- und nördlichen Shan-Regionen. Iran und Pakistan blieben unter den führenden vier Aufnahmeländern von Flüchtlingen.
Der amerikanische Kontinent hat gleichfalls einen Anstieg an Flucht und Vertreibung verzeichnet. Zwar
ist die Zahl der kolumbianischen Flüchtlinge um 36.300 auf 360.300 gefallen. Dies ist aber hauptsächlich auf eine
Zahlenberichtigung der venezolanischen Behörden zurückzuführen. Kolumbien gehört weiterhin mit sechs Millionen
Binnenvertriebenen (137.000 kamen im letzten Jahr hinzu) zu jenen Ländern, in denen
weltweit die meisten Menschen innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht sind. In Zentralamerika sind Menschen verstärkt vor
Bandengewalt und anderen Formen der Verfolgung geflohen. Dies hat zu einem Anstieg der Schutzsuchenden in den USA geführt:
36.800 Asylanträge bedeuten ein Plus von 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Quelle und weitere Infos: unhcr.org
Weitere Infos über Flüchtlinge über Fluchthelfer sowie über Hintergründe, Statistiken und Zahlen
auch unter Brennpunkte: Flüchtlinge
im Mittelmeer
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